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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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die taube Nuß.
    »Ich möchte,« erklärte der Greis, »daß ihr euch überlegt, welche Leute auf der Welt unsereinem am meisten Ärger machen.«
    Die taube Nuß war überrascht, daß ihr dazu sofort etwas einfiel: »Na, diese Weiber mit den hochhackigen Schuhen, die immer so schnell durch den Laden trippeln: Hui, jetzt kommen sie, und die dann nach Modemagazinen oder ausländischen Schönheitsheftchen fragen, mit einem Ton am Leib, als wollten sie sagen: Schneller, los, ich muß ...«
    »Zum Airport«, sagte der arme Teufel, denn er kannte die Sorte. Die taube Nuß war plötzlich viel weniger taub und schon fast keine Nuß mehr. Sie lachte schüchtern und sagte: »Genau, zum Airport, weil: Flughafen würden die nicht sagen, nicht in tausend Jahren. Und dann diese Krawattentypen, die einem sechshundert Zeitungen hinknallen, soll alles ganz fix gehen, wollen mit Karte zahlen, und wehe, die Maschine funktioniert nicht optimal, sie müssen ja ...«
    »Zum Airport«, schnaubte der arme Teufel und setzte hinzu: »Vergiß nicht die Typen, die vor allem in den Großraumwagen sitzen, auch gerne an den Tischen, damit sie ihre Laptops irgendwo aufstellen können, die telefonieren dann mit dem Handy, aber nicht mit dem normalen, sondern ...«
    »Sondern sie haben so Kopfdinger«, fiel der Bahnhofsbuchhändlerin ein, und der Würstchenmann bestätigte: »Headsets, richtig. Und mit der Quasselei hören sie natürlich nicht auf, wenn sie was von mir wollen, sondern telefonieren munter weiter und bestellen, während sie so laut brüllen, daß der ganze Wagen hört, wie unersetzlich sie für die deutsche Wirtschaft sind, bei mir einen KLEINEN Kaffee oder ein WINZIGES Sandwich, und manchmal wollen sie mich auch nur durchwinken, weil ich ihnen im Licht stehe oder weil ihr Empfang durch meine Biostrahlen gestört wird. Aber das können sie einem natürlich nicht klar sagen, sondern da geben siedann Handzeichen, und man hat das alles zu verstehen und noch dankbar zu sein, schließlich erwägen sie ja, vorausgesetzt, die kaiserlichen Gesten sind Bestellungen, in ihrem großen Herzen meistens schon, mir zwanzig oder sogar fünfzig Cent Trinkgeld zu geben, je nachdem, wie groß der Abstand zwischen dem Preis des Unfugs, den sie haben wollen, und dem nächsterreichbaren vollen Schein ist. Münzgeld haben sie grundsätzlich nicht.«
    Er hatte sich in Rage geredet; das merkte er, als er fertig war, und seufzte. Drei Augenpaare richteten sich auf den Ausgestoßenen, weil klar war, daß seine Geschichte zum Thema »Wer stört am ärgsten« vermutlich die längste und erschütterndste sein würde.
    Der Ausgestoßene schüttelte den Kopf und sagte: »Alle sind genervt, wenn sie mich nur sehen. Die gucken, wie wenn’s regnet, oder hagelt, oder ganz kalt wird, wenn ich mich vor sie hinstelle. Manche geben ganz schnell was, andere sagen ›Nein‹ oder ›Hau ab‹, so, daß man merkt, sie sind jetzt stolz auf ihren Mut. Noch andere winken ab – wie bei dir. Als ob sie was bestellen wollen«, sagte er zum armen Teufel.
    Der fragte: »Was wollen sie bei dir bestellen?«
    »Daß es mich nicht gibt«, vermutete der Ausgestoßene.
    »Also gut«, erklärte der älteste Kommunist, »ein paar von euren Feinden könnt ihr immerhin benennen. Ein bißchen Klassenbewußtsein ist besser als gar keins.«
    »Sind das denn auch die, die alles irgendwie ... zugemacht haben hier? Daß man nicht mehr raus kann, daß es so ... eng geworden ist?« fragte die Nuß.
    »Klingt unlogisch«, sagte der arme Teufel, »die sind doch alle total mobil, international und so. Die wollen doch keine Provinz, die wollen Globalisierung.«
    »Das eben scheint der Widerspruch zu sein, der so schwer anzugreifen ist«, sagte der Kommunist. »Sie wollen tatsächlich eine Welt, ein Ganzes, aber das soll dann aus lauter Segmenten bestehen, deren Zugänge und Anschlüsse sie ganz alleine regeln.«
    »Hä?«, der Ausgestoßene konnte nicht folgen.
    »Na ja«, dem Kommunisten fiel zum Glück ein Beispiel ein, »denkt bloß an etwas so Erz-Internationales wie McDonald’s. Das ist in Indien dann eben ein bißchen indischer, in Aserbaidschan ein bißchen aserbaidschanischer als in Kalifornien, aber die Weltkonzernrechnung muß trotzdem aufgehen. Man nennt das ›Teile und herrsche‹: Individualisierte, auf Lokalkolorit frisierte Zellen schließen die Allgemeingültigkeit des Wertgesetzes nicht aus, sondern verhelfen ihr erst zur Geltung. Das nennt sich ›Produktpalette‹ und reicht bis in

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