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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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empfehlen, sich alleine auf so eine Reise zu machen. Man verläuft sich schneller als im verwirrtesten Diesseits. Außerdem: Wenn das Geld überhaupt jemanden erwartet, dann Sie und Ihre Freunde. Es wird seine Vorkehrungen getroffen haben.«
    »Wir müßten also auf jeden Fall«, sagte der Exteufel, »zusammen los. Als Gruppe. Bloß, wiekann man gleichzeitig einschlafen? Mehrere Leute? Zusammen träumen? Und auch noch dasselbe?«
    »Als ob das schwer wäre! Lächerlich!«
    »Wer hat ... ach so.« Es fiel der Exnuß immer noch ein bißchen schwer, sich an ein Kunstwerk zu gewöhnen, das nicht von irgendwem erläutert wurde, sondern sich selbst äußern konnte. Sie fragte nach: »Du weißt, wie wir das machen können? Fünf erwachsene Menschen ...«
    »Im Ernst«, maulte Ohne Titel, »was wär’ ich denn für eine Kunst, wenn ich nicht eine Handvoll von euch Affen in meinen Bann ziehen könnte und rüberschleusen in dieses sogenannte Unbewußte da?«
    »Hmmmm ...«, machte der Kommunist und kniff die Augen zusammen, während er Ohne Titel betrachtete und ganz langsam um es herumging.
    Ohne Titel hielt still. Die andern schwiegen.
    Als er mit seiner sorgfältigen Untersuchung fertig war, sprach der Alte: »Gut. Laßt es uns versuchen.«
    »Nichts leichter als das«, schnarrte Ohne Titel. »Ihr werdet zwar verschiedene Ausgangspunkte haben, jeweils zwei Augen pro Kopf. Aber sobald ihr drüben seid, hört das Getrenntsein auf. Durch mich als Kunstwerk hindurchgehen heißt ...«
    »... etwas Objektives subjektiv erleben. Ich weiß«, sagte der Alte. »Ich habe Hegel gelesen.« Er wies den Exausgestoßenen und die Exnuß an, Bernd Vollfenster vom Kunstwerk zu heben und auf eine der McDonald’s-Plastikbänke zu setzen. Dann ging er, nicht ganz locker, in die Hocke, neben den Exteufel, der schon am Boden saß.
    Ohne Titel gab ein paar knappe Anweisungen, die es eine gute Viertelstunde lang in zunehmend beschleunigtem Rhythmus wiederholte: »Schaut euch die rechte Bildhälfte an. Fixiert diese zweiPunkte da, während ich mich drehe. Schließt kurz die Augen. Hört genau hin. Ich senke jetzt zwei Träger. Augen wieder auf! Rechte Bildhälfte! Die beiden Punkte! Augen zu! Hören! Augen auf!« Was die fünf Menschen sahen, hörten und erlebten, während dies geschah, war, wie angedroht, vierfach verschieden: Der Kommunist fühlte, wie ihm kühler wurde, sah vor sich einen Bergpaß, der verschneit war, und hörte vom Horizont her eine ungeduldige Reiterschar. Sein Atem, schien ihm, war weiß und sichtbar. Die Kälte aber tat ihm nicht weh, sondern gut.
    Der Exteufel hörte es leise klingeln. Er hatte das Gefühl, von etwas angezogen zu werden, seinen Blick auf etwas richten zu sollen, das, wie ihm immer klarer wurde, schwer zu beschreiben, aber vor allem keine Pfeife war.
    Bernd Vollfenster spürte ein Kitzeln an den Sohlen. Er roch frische Pfannkuchen. Dann dachte er, sein Busen sei in einen Brustpanzer aus Eminentium eingeschlossen wie das Standbild des Kaisers Augustus vor der Prima Porta.
    Die Exnuß erkannte das Gesicht eines Mannes, ein wenig unscharf, aber schwarzweiß. Es war Franz Kafka, nach dem Porträt von Gerhard Richter. Nach einer Weile tat der Schriftsteller den Mund auf und sagte einen Satz, den die Exnuß wunderbar fand, weil er ihr ganzes Leben erklärte und sie von aller Schuld freisprach. Wir behalten diesen Satz für uns, weil sie ihn nie weitergesagt hat.
    Der Exausgestoßene staunte. Er konnte plötzlich hinter sich blicken. Da war er selbst und winkte sich fröhlich.
    Alles ging schnell und war höchst einprägsam.
    Nach einer Weile, die man nicht messen konnte, hatten die fünf Menschen es geschafft.
    Sie waren drüben und beisammen.

27.
Mandelbaums Entscheidung
     
    »Es tut mir leid. Wir müssen aussteigen. So geht das nicht«, sagte Mandelbaum, die Hasennase rümpfend, zu Hendrik, Rosalie und der bewußtlosen Clea. Noch einmal schaute er, bedauernd, erst rechts, dann links aus den Fenstern der Bahn Richtung Seckbacher Landstraße. Nichts hatte sich gebessert.
    Seine Hoffnung, das Verkehrsmittel könnte sie tatsächlich zur nächsten Station »Willy-Brandt-Platz/Europäische Zentralbank« bringen, war nie besonders groß gewesen. Da man aber deutlich sah, wie auf der rechten Seite Bahnhof, Wände und schraffierte Dunkelheiten vorbeirauschten, während die linke Wand völlig unverändert blieb, war klar, wie die Reise in wenigen Minuten erneut enden würde: mit der Einfahrt in den Hauptbahnhof, den

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