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Deutschland umsonst

Deutschland umsonst

Titel: Deutschland umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Holzach
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sollte man Fremden die Tür immer nur mit vorgelegter Sperrkette öffnen, denn schließlich gibt es ja auch den Wolf im Schafspelz, rät die Kriminalpolizei .«

    Mir dagegen trauen die Leute hier auf den ersten Blick. Ich werde ja wohl die Scheune nicht anstecken, das Haus nicht ausräubern, die Frau in Ruhe lassen, es passiert ja so viel im » Fennseh «, da sieht man es ja mit eigenen Augen. Nein, sag’ ich, ich werde nicht, bin viel zu müde, und was soll schon brennen, es ist ja doch alles naß . Auf einem einsam gelegenen Gehöft hinter Niederirsen bekomme ich sogar Bratkartoffeln mit Spiegelei und Feldmann Küchenabfälle die Menge, in Thal bei Roth bringt mir die Bäuerin vom Hahnenhof für die Nacht trockene Unterwäsche und Socken ihres Mannes in die Scheune, bis sich meine Sachen am Küchenherd ausgetropft haben.
    Professionelle Gastfreundschaft wird mir im Kloster Marienstatt geboten, das im Nistertal mitten in der Abgeschiedenheit des hohen Westerwaldes seine monumentale Pracht entfaltet. Gerade erst bin ich so ehrfurchtsvoll, wie das der frontale Gebirgsregen nur eben zuließ, übers alte Kopfsteinpflaster zwischen verwitterten Grabplatten auf das herrschaftliche Mönchsschloß zugestiefelt, habe mit meinem ganzen Gewicht die schwere Eichentür aufgestoßen und stehe nun, vor Nässe triefend, von marmornen Engeln und Heiligenfiguren umstellt, in der grandiosen Empfangshalle des Klosters, da entriegelt der Bruder Pförtner auch schon eine Sprechluke und fragt: »Darf ich Ihnen eine kleine Speise bringen lassen, Sie sehen so aus, als könnten Sie’s gebrauchen?« Überrascht, wie sehr man sich in dieser weitabgewandten Frömmigkeit offensichtlich noch den Blick für die Realitäten erhalten hat, setze ich mich auf einen kunstvoll geschnitzten Stuhl vor einem runden Tisch und lasse mich bedienen. Ein junger Mönch in weißen, wallenden Gewändern liest mir alle Wünsche von den Augen ab: Die Tomatensuppe ist so gut, wie es eine gewöhnliche Tomatensuppe eigentlich gar nicht sein kann, der Kochfisch zergeht auf der Zunge, die Götterspeise ist himmlisch. An den Hund unterm Tisch denkt mein frommer Kellner, beim heiligen Franziskus, ganz von selbst und bringt so viele Knochen und Kartoffelreste, daß Feldmann fast vor dem Futterberg kapituliert hätte.
    Aber mit dem göttlichen Mahl ist der Service des Mönchs, der sich mit »Frater Ambrosius« vorstellt, noch lange nicht erschöpft. »Kommt ein Wanderer des Wegs, so beherberge ihn wie den Heiland selbst«, zitiert er eine Ordensregel der Zisterzienser und fragt rhetorisch, ob ich nicht ein wenig bleiben wolle, das richtige Wanderwetter sei das ja nun wirklich nicht, außerdem stehe der heilige Sonntag vor der Tür. Etwas Ruhe und innere Einkehr, bis die Sachen wieder trocken sind, können nicht schaden. Fast dankbar greift der Geistliche zum Telefon und regelt meine Unterbringung.
    Die Kammer, in die mich Ambrosius führt, ist karg möbliert, das Bett unterm großen Holzkreuz kaum gefedert und das Waschbecken wenig größer als die Weihwasserschale neben der Tür. Ein bißchen spartanisch für den Heiland, denke ich. Auf körperliche Behaglichkeit wird wenig Wert gelegt, dafür ist für das Seelenwohl gesorgt: Am Schrank, dort, wo in Hotels gewöhnlich die Preisliste hängt, befindet sich eine Liste mit den » Offizien «, den sechs Gebetszeiten: »5.15 Uhr Laudes , 6.15 Uhr Terz, 12.55 Uhr Sext , 15.30 Uhr Vesper, 17.30 Uhr Matutin , 20.00 Uhr Komplet .«
    Kaum habe ich meine nassen Kleider mit der klammen Wechselgarderobe getauscht, meine Haare trockengerieben und im Spiegel einen von asketischer Selbstkasteiung ausgemergelten Jesuiten betrachtet, da ruft mich die Kirchenglocke auch schon zur Komplet. Neugierig folge ich dem hellen Läuten, eile durch den Klosterfriedhof — und entschwebe in eine andere Welt. Erhabene Orgeltöne heben mich schon im Eingang auf die Zehenspitzen, und eine Gänsehaut der Ergriffenheit überzieht meinen Rücken. Das fast menschenleere Kirchenschiff liegt im Halbdunkel der Dämmerung, die, von buntem Fensterglas gebrochen, den Raum in ein diffuses, warmes Licht taucht. Der Altar aber ist hell erleuchtet. Vor ihm sitzen sich die Mönche auf doppelreihigem Chorgestühl wie in einem mittelalterlichen Konzil gegenüber und singen ihre schönen Psalmen im sonoren Wechselgesang: » Laudate nomen Domini», klingt es von der einen Seite, » Laudate servi Dominum «, antwortet sanft die andere.
    Die Harmonie ist nahezu

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