Deutschlandflug
Spezialtruppe ausgezeichnet trainiert war, im Zwielicht zu schießen und zu treffen. Er konnte sich eine entsprechende Ausbildung bei den Terroristen schlecht vorstellen.
Für 18.45 Uhr hatte er die ›Generalstabsbesprechung‹ des Krisenstabes vorgesehen. Somit verblieben ihm, wenn Jason in den nächsten Minuten eintraf, knapp vierzig Minuten für ein Verhör.
Aber vorher versuchte er zum zweitenmal, Walkie-talkie-Kontakt zur Terroristengruppe herzustellen. Der erste Versuch war mißlungen; niemand hatte geantwortet.
Wie beim erstenmal befahl er seinem Assistenten, das Sprechgerät zu halten und zu bedienen, während er selber beim Anruf mit dem Fernglas das Funkhaus beobachtete.
»Hallo Terroristen! Hallo Terroristen! Hier spricht der Polizeipräsident. Er hat eine Nachricht für euch! Ich wiederhole .«
Während die zu laut gesprochenen Worte hinausklirrten, beobachteten auch die übrigen Anwesenden voller Spannung das Rollfeld: der Darmstädter Kripochef mit wild zerpflügter Haarmähne, ein Hauptmann des am Hafen stationierten Grenzschutzes, einige untergeordnete Beamte, Brändel, dem man die Sorge um seinen Flughafen aus jeder Faser eines erschöpften Gesichtes ablas, der Verkehrsminister, der fast pausenlos in den Nebenraum rannte, um die Verbindung mit Bonn aufrechtzuerhalten, und, als gelegentlicher Gasthörer, der hessische Innenminister.
»Hier ›Fall Lilienthals‹. Was gibt's?«
Die Erwiderung kam so unerwartet, daß Querholz zu antworten vergaß; sein Assistent mußte ihn anstoßen. Er habe eine wichtige Mitteilung zu machen. – Es gäbe nur eine einzige Mitteilung, die interessiere: die Übergabe von Kampinsky und zweieinhalb Millionen.
»Die zweieinhalb Millionen und das Flugzeug könnt ihr haben!« sagte Querholz forsch. »Kampinsky bekommt ihr nicht!«
»Dann werden noch vor Mitternacht die Bruchstücke eines Jumbos und die von zweihundertundzwanzig Passagieren über Deutschland herunterfallen!« sagte eine Stimme – es war eine weibliche.
»Kampinsky bekommt ihr nicht!« wiederholte er energisch. »Wir wissen inzwischen, daß eure Story mit der versteckten Bombe Bluff ist!«
»Gratulation! Morgen denkt ihr anders drüber. Lest mal die Morgenzeitung!«
»Wir wissen noch mehr: Du, Ira Hagenow, hast vor einem Jahr noch Hanna Mertz geheißen!«
Drüben blieb es still. Querholz zerbiß sich die Lippen; auf den nächsten Satz kam alles an. Er mußte treffsicher nachstoßen.
»Nochmalige Gratulation!« Sie antwortete doch noch, fügte hinzu: »Damit kriegt ihr euren Scheißdampfer nicht heil runter. Der geht drauf, ohne Kampinsky!«
»Ich will dir noch was verraten, Hanna: Ihr habt gar keine Bombe versteckt. Ihr blufft. Ihr versteht viel zuwenig von einem Flugzeug, um so was zu inszenieren! Dazu braucht man einen exakten Plan! Und weil ihr den nicht habt, deshalb kriegt ihr auch Kampinsky nicht! Niemals!«
Im Konferenzsaal konnte man ein Streichholz fallen hören. Obwohl nicht jeder wußte, was Querholz vorhatte, spürten alle, daß jetzt eine Entscheidung bevorstand. Selbst der Polizeipräsident war so angespannt, daß er trotz des vorgehaltenen Glases auf die Membrane des Funkgeräts starrte.
Drüben schwieg man sich aus. Aber als Querholz jetzt wieder das Glas höher nahm, sah er, daß das Mädchen sich mit zwei Männern beriet. Einer verschwand im Hintergrund ins Innere des Funkhauses.
Dann hörte man die weibliche Stimme:
»Ihr seid ein paar gottverdammte Arschlöcher, ihr Bullen! Ihr traut uns nicht mal einen astreinen Furz zu, was? Hört zu, ihr Trauerweiden: Wie ich euch kenne, beglotzt ihr uns jetzt durch eure japanischen Feldstecher! Seht mal gut her: Wir werden euch genau verraten, an welchem Spant, an welcher Querrippe die Bombe hängt, falls ihr wißt, was das ist, ein Spant! Wir kriegen Kampinsky; ihr kriegt unser Papierchen!«
Und jetzt sahen alle im Großen Konferenzsaal durch ihre Gläser, wie das Mädchen ein zeitungsgroßes Papier schwenkte, das ihr aus dem Hintergrund gereicht worden war.
Der Polizeipräsident setzte sein Glas ab – mit ihm alle Anwesenden. Er spürte, wie man ihn bewundernd ansah. Lässig deutete er seinem Assistenten an, das Gerät auszuschalten. Er richtete sich auf und sah seine Stäbler der Reihe nach an.
»Meine Herren!« sagte er dann. »Wir wissen jetzt, daß ein Plan existiert. Um 19.30 Uhr startet unser Angriff. Um 19.35 Uhr werden wir wissen, wo die Bombe versteckt ist …!«
25
Über Michaelsdorf, einem Funkfeuer dicht an
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