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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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bewußtlos.
    Er war der einzige Überlebende der Gruppe ›Fall Lilienthals‹.
    Zwanzig Minuten nach Beendigung des Massakers landeten die ersten Flugzeuge – eine DC-9 aus Amsterdam, eine Boeing 747 aus Nairobi, zwei DC-10 aus Teneriffa und Bombay. Die Passagiere, die über die Vorgänge auf dem Flughafen nicht informiert worden waren, beobachteten während des Aufsetzens und Ausrollens zu ihrem Entsetzen die Ansammlung von Krankenwagen, in die im Licht fahrbarer Scheinwerfer die Bahren mit den Toten geschoben wurden.
    Der Polizeipräsident erfuhr als erster den genauen Ausgang: sechs Tote – vier Terroristen, zwei Polizeibeamte, ein Schwerverletzter – der fünfte Terrorist. Als erstes Opfer war Ira Hagenow zu beklagen gewesen: Sie war durch eine Handgranate gestorben, die einer aus der Gruppe auf den Schützenpanzerwagen geworfen und zu kurz gezielt hatte.
    Die schwerste Nachricht aber stand Querholz noch bevor. In fiebernder Eile ließ er das Gelände um die Einschlagstelle der ersten Handgranate absuchen. Aber einer der Scharfschützen, der den Auftrag hatte, sich lediglich mit dem Mädchen zu befassen, klärte ihn unmißverständlich auf.
    Es gab keine Flugzeugskizze mehr. Sie war zusammen mit dem Mädchen in der Detonation zerrissen worden.
    »Das war's!« sagte Thomas Gundolf tonlos.
    Sie hatten zusammen mit Quandt das Massaker von der Zentrale aus verfolgt; Quandts Direktorenzimmer bot keinen Ausblick auf jenen Teil des Platzes.
    Der negative Ausgang war Quandt durch den Flughafendirektor mitgeteilt worden. Tiefe Niedergeschlagenheit hatte sich aller bemächtigt.
    Thomas brütete dumpf vor sich hin. Er überhörte zum drittenmal die Meldung einer anfliegenden Maschine. Ulla war durch das Gemetzel so geschockt, daß sie kein Wort herausbrachte. Allermann flüsterte leise mit Quandt.
    »Was meinen Sie, Gundolf«, fragte der Direktor, »sollen wir die Besatzung über den Ausgang informieren?«
    Thomas dachte nur kurz nach.
    »Auf jeden Fall. Sie müssen wissen, daß sie von der Erde nichts mehr zu erwarten haben.«
    »Übernehmen Sie diese traurige Mission?«
    Thomas nickte.
    »Je eher, um so besser!«
    Allermann drückte bereits die ›Selcal‹ -Taste. Der Direktor hatte es eilig, sich zu verabschieden:
    »Sie hören von mir! Ich treffe mich mit dem Flughafendirektor und dem Polizeipräsidenten!«
    Thomas schickte sich an, die trostloseste Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit zu erfüllen.
    »AVI 2000? Hier FDZ, Gundolf!«
    Bloch war sofort selber am Mikrofon. Er hatte einen Riecher für besondere Meldungen, dachte Thomas. Als er sie losgeworden war, seufzte er hörbar auf. Bloch reagierte mit bemerkenswert kurzem Kommentar.
    »Roger für die Information! Ich fürchte, wir kriegen jetzt ein kleines Problem zur Lösung vorgelegt! Ich melde mich, wenn ich einen guten Einfall habe.«
    Wortlos legte Thomas auf.
    Es gab keine lösbaren Probleme mehr. Die ›Steppenadler‹ war todgeweiht. Unaufhaltsam flog sie ihrer letzten Stunde entgegen.

Viertes Buch
    Ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will
und stets das Gute schafft.
       (Goethe: ›Faust‹)

29
    »Es gibt Lurche«, sagte Bloch, »die begatten sich tagelang!«
    Vor fünf Minuten war Gundolfs Hiobsbotschaft durchgekommen. Als Ira Hagenow, als die rettende Skizze zerfetzt wurde, steuerte die ›Steppenadler‹ automatisch Nauheim an. Jetzt glitt auf der Steuerbordseite der Flughafen vorüber. Die geschulten Augen der Besatzung erkannten die Kavalkade von Rot- und Blaulichtern, die zwischen den beiden Parallelbahnen rotierte. Niemand außer der Cockpitbesatzung ahnte den makaberen Bezug.
    Die psychologischen Reaktionen des Menschen auf eine Todesdrohung sind seltsam, dachte Mahlberg. Er hatte sich selber seit Stunden sachlich beobachtet, wie er unter Streß reagierte. Seine Ablenkungsversuche auf die Landschaft. Seine Vorliebe für Süßspeise … (Er hatte inzwischen drei Karamelspeisen, zwei Rote-Grütze-Portionen, eine Packung Pralinen verspeist – die Menge, die er sonst in einer ganze Woche vertilgte!) Bei der Besatzung hatte er eine deutliche Gereiztheit, eine Anfälligkeit für emotionelle Handlungen registriert. Der Ausspruch Blochs verblüffte ihn trotzdem. Er reagierte, als habe er eine Überdosis von Sexaufputschpillen geschluckt. Natürlich: Vitale Sexualität war das beste Mittel, dem drohenden Tod zu trotzen!
    In vielen Kriegsbüchern hatte ihn die Obszönität der Männerwitze schockiert, die von den Todgeweihten im

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