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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ihnen blieben knapp anderthalb Stunden bis zur endgültigen Landung. Sinnlos, nochmals nach der Bombe zu suchen; sinnlos, überhaupt noch so lange sich der Ungewißheit auszusetzen. Es gab keine Rettung von Menschenhand mehr. Es gab nur blindes Vertrauen ins Schicksal, die Hoffnung, daß keine weitere Bombe existierte.
    In Kürze würden sie mit dem Abstieg beginnen, gut. Sie würden so rasch wie möglich durch die Auslösehöhe von 13.000 Fuß hindurchstürzen – ein unsinniger Versuch, mit dem Leben davonzukommen. Außer der Besatzung im Cockpit würde niemand erfahren, wann dieser Zeitpunkt gekommen war. Nicht einmal er selber wußte, ob er dieser Nervenbelastung gewachsen war! Wurden sie dabei nicht zerfetzt, so war noch immer nicht viel gewonnen. Die Bombe konnte von einem falsch informierten Terroristen innerhalb der Kabine deponiert sein und erst detonieren, wenn nach der Landung der Druckausgleich mit dem Boden hergestellt wurde – durch Öffnen der Türen.
    Freilich hatten dann wenigstens einige die Chance, mit dem Leben davonzukommen. Und man konnte nicht mehr abstürzen. Ja, das war noch die beste Lösung: Falls man noch bis zum Anflug kam, den Druck so hoch wie möglich halten und erst nach dem Aufsetzen, wenn Feuerwehr und Krankenwagen erreichbar waren, so rasch wie möglich: Notrutschen ausfahren und nichts wie hinaus!
    Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er wagte kaum, an diesen Abstieg zu denken! Wie würde seine Besatzung, wie würde er selber reagieren, wenn das Flugzeug sich der Höhe näherte, die über Leben und Tod entschied? Wer wußte wirklich, was Angst, nackte, konkrete Angst war, bevor er nicht selber voll drinsteckte?
    Ihm kam eine entsprechende Situation auf einer SuperConstellation in den Sinn, die er vor rund zwanzig Jahren als Kopilot erlebt hatte. Damals, über dem Rio de la Plata, fiel ein Triebwerk während des Steigfluges aus. Der Kapitän, ein gewaltiger, sportlich gebräunter Texaner, Frauenheld, Draufgänger, Rugbychampion, mußte sich wohl oder übel entschließen, 25 Tonnen Benzin abzulassen, um mit dem höchstzulässigen Landegewicht wieder in Montevideo landen zu können.
    Das Treibstoffablaßverfahren war genau nach Checkliste vorgeschrieben und absolut sicher. Aber knapp zwei Wochen vorher war eine Maschine gleichen Typs dabei über Long Island explodiert. Und obwohl man dem Kapitän einen unentschuldbaren Fehler nachgewiesen hatte (er hatte vorschriftswidrig beim Ablassen gekurvt und war in seine eigenen Benzindämpfe hineingeflogen), hatte sich im Unterbewußtsein dieses Texaners die Kette Super-Constellation, Benzinablassen, Katastrophe festgesetzt. Während er, Kopilot Bloch, in aller Gelassenheit mit dem Bordingenieur die Checkliste durchging, die Ablaßventile ausfahren und öffnen ließ, verlor der Texaner die Nerven. Er riß seine Gurte los und hockte sich rückwärts auf den Navigatorsitz, um das Ablesen der Liste, die für ihn eine Checkliste des Todes war, nicht mitzuerleben.
    ›Angst‹ also! Wer wußte wirklich, wie er reagierte, wenn es um die letzten Sekunden vor dem vermeintlichen Sterben ging?
    Plötzlich kämpfte er gegen den Drang, in wilder Panik die Maschine auf den Kopf zu stellen und auf Meereshöhe zu stürzen, um endlich ›Gewißheit‹ zu haben.
    Kein Feindflug während des Krieges ließ sich mit diesem Terrorflug der siebziger Jahre vergleichen! Er war durch Kaskaden von Flakfeuer geflogen, er war abgeschossen worden, er war abgesprungen. Er hatte sieben Bruchlandungen mit der Ju 88 und der Do 217 gemacht! Aber er hatte Ziele, er hatte jederzeit die Entscheidungsgewalt gehabt. Er war nicht für über zweihundert ihm anvertraute Fluggäste verantwortlich gewesen. Er brauchte nicht einen Tag lang hilflos über Deutschland zu kreuzen. Und es war Krieg, und jeder hatte gewußt, daß die Piloten ihr Leben einsetzten. Es hatte keine Werbeabteilung gegeben, die einen derartigen Flug als Lustflug hoch über dem Wetter hinstellte.
    Der spezielle Sadismus des Schicksals lag in dem kurzen Schuß Hoffnung nach der ersten Explosion! Danach mußte der Breakdown so gewiß kommen wie das Amen in der Kirche!
    Und selbst, wenn er heil landen würde: Welchen ›Sinn‹ hatte das Ganze gehabt? Wenn man 1943 nach einem derartigen Todesflug unversehrt wieder den Horst erreichte, hatte man immerhin einen Befehl ausgeführt, mochte später von den diversen Nestbeschmutzern auch alles, aber auch alles durch den Kakao gezogen werden!
    … Und da war Mahlberg, der

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