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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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halbverfallenen Bunker zu schaffen machten. Endlich! dachte er. Es wird aufgeräumt im Naturschutzgebiet. Die Amis transportieren ihre durchgerosteten Giftgasfässer und veralteten Granaten ab!
    Ein amerikanischer Buick, halb versunken auf dem verschlammten Weg, stand vor einem der holzverschalten Munitionsbunker geparkt.
    Aber er konnte keine GIs entdecken. Statt dessen sah er jeansbekleidete Männer, die Waffen transportierten. Er setzte dreimal sein Glas an, ehe ihm bewußt wurde, daß das beförderte Gerät nicht aus den Bunkern geholt, sondern hineingeschafft wurde: Maschinenpistolen, Munitionskästen, Revolver. Handgranaten? Ja, er glaubte, Handgranaten zu erkennen.
    Eine der Reporterinnen, attraktiv, gertenschlank, lenkte ihn ab:
    »Ich für meinen Teil wähle meine Kosmetika lieber aus drei Dutzend Angeboten aus als aus simplen fünf. Da könnten wir ja gleich in die DDR oder nach Rußland gehen!«
    Da gäbe es auch noch Störche, Kraniche und Blauracken, wollte er erwidern, aber ihn beschäftigte die Feststellung, daß die Männer nicht in Uniformen gekleidet waren.
    »Wenn diese verwilderten Landschaften, diese Sümpfe und Scheißvögel so bedeutsam sind – weshalb ist dann die ganze Welt bemüht, sie zugunsten eines höheren Lebensstandards zu beseitigen? Weshalb drängen sich dann die Inder, Afrikaner und Südamerikaner danach, industrialisiert zu werden?«
    »Weil die ganze Welt von den gleichen Industriemanagern und multinationalen Gesellschaften manipuliert wird, die nicht ruhen, ehe diese Welt zugunsten ihrer eigenen Profite radikal ausgebeutet und zerstört worden ist.«
    Er setzte wieder sein Glas an. Aber inzwischen war ihm klargeworden, daß die Vorgänge auf der Knoblochsaue leicht erklärbar waren. Die amerikanische Armee beschäftigte Tausende ziviler Angestellter in Deutschland. Schließlich brauchte man für die Umlagerung von Waffen keine hochdekorierten Generäle einzusetzen.
    Über seinen eigenen Problemen vergaß Jason die Beobachtung rasch.

7
    Margot Gundolf hatte ihre gutbezahlte Purserettenstellung aus Protest gekündigt. Es war eine ungewöhnliche Art von Protest: Er richtete sich nicht gegen die üblichen Unzulänglichkeiten ihres Berufs. Nicht gegen die Tendenz der ›Avitour‹, ihre Besatzungsmitglieder rücksichtslos in außerplanmäßigen oder fehlgeplanten Einsätzen zu ›verheizen‹. Nicht gegen die sozial untragbare Differenz zwischen auf dem Papier eingeplanten und den tatsächlichen freien Tagen. Nicht gegen den rüden Ton der Bürovorgesetzten, die sie bei jeder Rücksprache wegen einer Passagierbeschwerde in einem Vokabular abfertigten, auf das ein Feldwebel der alten deutschen Wehrmacht stolz gewesen wäre.
    Ihre Kündigung richtete sich gegen den Lebensstil, in den man als Stewardeß unwiderruflich hineinrutschte, wenn man nicht die Zivilcourage besaß, als absoluter Außenseiter sich von Gepflogenheiten zu distanzieren, die offensichtlich seit dem Erstflug Ikarus' von Stewardessen- zu Stewardessengeneration weitervererbt worden waren.
    In der freien Zivilluftfahrt, die angeblich Grenzen überwand und in der, einer populären Zigarettenreklame nach, tolerante Menschen vorurteilsfrei die Vielfalt der Welt kennenlernten, herrschten Zwänge und Dogmen, auf die die Spießer einer orthodoxen amerikanischen Kleinstadt hätten stolz sein können.
    So gehörte es zu den unausweichlichen Interna, nach jedem Flug auf dem Hotelzimmer eine Art Party zu veranstalten, wogegen im Prinzip nichts einzuwenden war, solange sie spontan und aus einem echten Bedürfnis kam, noch ein wenig mit netten Freunden über die Eindrücke zu plaudern. Aber die Crew mochte noch so wenig zusammenpassen, noch so abgespannt sein, noch so wenig zu sagen haben: Mit sturer Monotonie hockte sie stundenlang zusammen und soffen still vor sich hin. Margot erinnerte sich an wundervolle Stunden, in denen geistreich diskutiert wurde. Aber sie sträubte sich gegen den Zwang, um jeden Preis, wie es hieß, in Crewgeist zu machen. Schon im Probejahr hatte sie riskiert, diesen Partys fernzubleiben, wenn sie sich nichts davon versprach. Prompt hieß es in der Beurteilung, sie zeige einen Hang zur Eigenbrötelei und werde von der Gemeinschaft nicht voll integriert. Checkstewardessen, denen die simpelste Form von Psychologie ein Buch mit sieben Siegeln war, bestimmten ihren Berufsverlauf. Sie lernte uralte Kapitäne kennen, die aus Furcht, ihre Crew vor den Kopf zu stoßen, geduldig und seit mehr als einem Jahrzehnt

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