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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie am alten Wörthchen angelangt waren, legte Jason eine Picknickpause ein und ließ die mitgebrachten Sandwiches und Getränke verteilen. In Einzelgespräche schob er sachliche Informationen ein, die er geschickt mit Stimmungsbildern verband.
    Der Stockstädter Altrhein sei 1828/29 durch künstlichen Durchstich geschaffen worden; er zeigte das jüngste unter den vier Verlandungsstadien. Der Lampertheimer Altrhein zum Beispiel sei schon 1801 entstanden. Der Kühkopf-Altrhein zeige noch am exaktesten den ehemaligen Zustand des Rheins … Für die 1.500 Käferarten stellte der Kühkopf geradezu ›heiligen Boden‹ dar. Sie seien außerhalb zum Teil längst ausgerottet worden.
    Dann zog sich Jason für einige Minuten zurück, um noch einmal und immer wieder den Zeitungsbericht über den endgültigen Sieg seiner Gegner zu lesen. Er stammte aus den HESSISCHEN NACHRICHTEN und lautete:
    Der seit zwölf fahren heftig umstrittene neue Interkontinental-Flughafen bei Darmstadt, den der hessische Innenminister bereits im voraus als ›Weihestätte des Luftverkehrs‹ bezeichnete, wird am kommenden Donnerstag eröffnet werden.
    Für die zuständigen Landesregierungen stand schon seit einem Jahrzehnt fest, daß der Großflughafen an der Altrheinschleife des Kühkopfgebietes gebaut werden muß. Rechtlich wirksam wurde ihr umstrittener Beschluß jedoch erst am 1. August 1972, als Wirtschaftsminister Petersen das luftrechtliche Genehmigungsverfahren abschließen und dem Bundesverkehrsministerium zur endgültigen Zustimmung vorlegen konnte. Zwischenzeitlich versuchten zahlreiche betroffene Gemeinden, u.a. Leeheim, Oppenheim, Nierstein und Goddelau, durch zahlreiche, gescheiterte Einsprüche vor den Verwaltungsgerichten diesen Genehmigungsbescheid zu verhindern.
    Noch vor weniger als einem Jahr gab sich die ›Vereinigung Umweltschutz EV‹ als Initiatorin und Sammelbecken der protestierenden Parteien durchaus optimistisch. Nach einem Gespräch im Bundesverkehrsministerium mit Staatssekretär Weißenbach hieß es zuversichtlich: Es sei gelungen, durch den Hinweis auf das einmalige Schutzgebiet Kühkopf das Ministerium zumindest ›nachdenklich‹ zu stimmen. Die Schilderung der zu erwartenden und nicht zu verantwortenden Grundwasserschäden und -absenkungen und die Verseuchung durch die sich ausbreitenden industriellen Anlagen und Zulieferbetriebe habe zu einer erneuten Überprüfung des Vorhabens Anlaß gegeben.
    Einer der Journalisten, der über Jasons Schulter mitgelesen hatte, fragte, wie das Verfahren weiter gelaufen sei. Jason beobachtete ein Schwanzmeisenpärchen, das in der Gabelung einer vermoosten, ausgehöhlten Weide sein Nest baute.
    »Man hat ein Hearing mit den zuständigen Wirtschaftsministerien und maßgeblichen Vertretern der Industrie abgehalten. Natürlich war alles in bester Ordnung – an eine Ausweitung über den bereits bekannten Rahmen hinaus sei nicht gedacht etc. etc. Eines Tages traf der luftrechtliche Genehmigungsbescheid aus Bonn ein – ein Aktenwerk von zweihundertundachtzig Seiten!«
    »Von Nachtigallen war darin wohl nicht die Rede?« lachte der Journalist.
    »Heutzutage läßt sich Natur nur noch schützen, wenn man nachweist, daß durch die bedrohte Natur auch der Mensch bedroht wird. Alles andere, was das Leben erst menschenwürdig macht, zählt nicht. Einer skrupellosen Erfolgs- und Leistungsgesellschaft ist nicht an der Erhaltung der Natur, sondern nur an ihrer Ausbeutung gelegen. Von einer Verpflichtung der Erde gegenüber haben diese armseligen, sinnlosen, erlebnisarmen Geldjäger nie gehört. Man muß nachweisen, daß die bedrohte Natur einen hohen, wie man heute sagt, ›Erholungskoeffizienten‹ darstellt für den arbeitenden Menschen. Mit Naturschutz hat das nichts zu tun, was da aus dem Wörterbuch des Unmenschen von 1984 zitiert wird als ›Freizeitwert‹, ›Steigerung der Wochenendgestaltungsmöglichkeit‹!«
    »Moment! Das muß ich mir notieren!«
    Jason spürte, wie er wieder in Rage geriet: »Denn darunter versteht man genau das, was wir nicht wollen: die Freiheit, sich auf den Seen mit lautstarken Motorbooten auszutoben. Badestrände, wo einst seltene Wasservögel genistet haben … kurz, der ganze voluminöse Leerlauf eines fehlgeleiteten Freizeitkonsums, der die Natur kaum weniger stört als ein Zementwerk oder ein Kernkraftwerk am Niederrhein.«
    »Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Zum Beispiel den künstlichen Speichersee bei Ismaningen. Der ist zum größten Vogelparadies

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