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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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buckelte, nach unten trat und bei der geringsten Kritik seinen mühsam erklommenen Pöstchenstuhl wackeln sah, spielte Leistung eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle. Nur auf sie vertrauen, hieß, Gold aus billigen Zutaten herstellen zu wollen. Wenn, wie bei Gundolf, echte Leistung vorhanden war, so war das eigentlich eine hübsche Beigabe, die höchstens die Moral des Unternehmens, nicht aber dessen ungeschriebene Beförderungsrituale änderte.
    Bei der ›Avitour‹ waren Piloten, Abteilungsleiter und Ingenieure in die oberste Hierarchie aufgestiegen, die zwar recht gute Kapitäne, Stewards oder Techniker waren, darüber hinaus aber nicht immer moralische oder auch nur pädagogische Führungsqualitäten vorzuweisen hatten. Außer jenen, daß sie alle noch höheren Hierarchien davon zu überzeugen wußten, daß sie ausgezeichnete Direktoren, Charakterköpfe und dynamische Führungskräfte sein würden. Viele von ihnen gaben Rundschreiben heraus, die in einem Deutsch geschrieben waren, dessen sich jeder Oberstufenschüler geschämt hätte.
    In der Straßenbahn hätte man Tom Gundolf für einen ernsten, aber untergeordneten Büroangestellten gehalten. In seinem grauen Regenmantel oder schlichten Cordanzug schien er bedürfnislos und uninteressant zu sein. Zu Hause besaß er eine Bibliothek, die sich voll über zwei Zimmerwände erstreckte. In seinem Bedürfnis, seine beruflichen und privaten Tätigkeiten zu vertiefen, las er, was Saint Exupery über die Funktion eines Flugdienstleiters geschrieben hatte – wie er überhaupt alles sammelte, was Aufschluß über die Fliegerei gab.
    Mochte Gundolf ernst oder sogar seriös wirken: Für Ulla Voorst bestand einer seiner wesentlichsten Vorzüge gerade darin, daß er so herzlich lachen konnte. Tierischer Ernst war ihm fremd; er konnte sich auch über sich selber lustig machen – was nicht ausschloß, daß sie ihn manchmal unausstehlich fand.
    Sie schrak auf. Gundolf hatte den Lautsprecher, auf dem auf der Frequenz 131.8 gesendet wurde, auf volle Lautstärke gestellt. Soeben war Blochs sonore Stimme zu hören gewesen:
    »Okay, ›Avitour‹: Wir fangen mit der Bombensuchliste an. Wir werden jetzt alle ein bißchen beschäftigt sein, so daß ich euch bitte, uns für die nächsten zwanzig, dreißig Minuten in Ruhe zu lassen. Gibt es was Neues?« (Gundolf hatte keine weiteren Nachrichten.) »Also gut; wir werden übrigens um 17 nach über Frankfurt sein; da könnt ihr uns eine halbe Minute später genau über euch sehen. Betet für uns, falls ihr könnt!«
    Kaltschnäuziger Hund! dachte Gundolf; es fehlten noch vier Minuten bis zum Überflug. Er beugte sich vor und blickte durch die Scheiben zum Himmel. Er war noch immer wolkenlos. Es sei denn, man zählte die zahlreichen verwehten Kondensstreifen, die sich im oberen Bereich der Stratosphäre zu Zirrenstreifen ausschichteten, zur Bewölkung.
    Es wäre ein vergebliches Unterfangen gewesen, aus den blendendweißen Schnitten der Streifen und den vorbeiziehenden Flugzeugen Blochs Maschine herauszusuchen. In wenigen Minuten zog ein gutes Dutzend blitzender Punkte vorbei; der Mittagsluftverkehr über der Bundesrepublik war so stark, daß vielen Gesellschaften, die Deutschland nicht zur Landung, sondern nur zum Überflug benutzten, dieser Überflug nicht gestattet wurde. Darunter litten insbesondere skandinavische Chartergesellschaften, die nach Spanien, und spanische, die nach Skandinavien flogen …
    … Ulla starrte einfach fasziniert gegen die Decke mit der indirekten Neonbeleuchtung. Dachte: Da fliegen sie nun, durchsuchen ihr Flugzeug nach einer Bombe, die jeden Augenblick hochgehen kann … Da waren sie schon vorüber.
    »AVI 2000: Hier ist Ihre Flugfreigabe. Bereit, mitzuschreiben?«
    »Go ahead!« sagte Mahlberg.
    »Freigegeben zum Steigflug auf 33.000 Fuß. Obere Luftstraße Grün 5 bis Stuttgart, Grün 31 Frankfurt, West 12 bis Lüttich.«
    Mahlberg wiederholte die Freigabe von Zürich-Control; sie waren nördlich von der Stadt angekommen, und zu seiner Rechten dehnten sich blau und unschuldig Züricher und Vierwaldstätter See, Eiger, Mönch und Jungfrau.
    »Dann werden wir mal versuchen, die Bombe zu finden!« Bloch lehnte sich zum Bordingenieur zurück. »Wir werden so lange suchen, bis wir sie haben. Wir haben viel, viel Zeit!«
    »Acht Stunden zwanzig bis zur Landung!« informierte der Bordingenieur kurz. Er war knapp fünfundzwanzig, hatte an der TH Stuttgart studiert und gerade erst vor vierzehn Tagen

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