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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Rhein-Main-Gebiet zu hopsen? Holen Sie doch mal eine Clearance nach Hamburg rauf. Über die Amber neun. Und wenn wir oben an der Ostsee angekommen sind, machen wir kehrt und fliegen ins Gebirge. So lernen unsere Gäste ihre Angst vergessen und Deutschland kennen. Zwischendurch werden wir beide erläutern, was es zu sehen gibt. Ich rauf, Sie runter. Okay?«
    Manchmal ist er richtig erträglich und kollegial, dachte Mahlberg. Fast große Klasse, wie in der Ansage vorhin. Wie lange liegt das zurück? Himmel, verdammt, wann landen wir endlich. Irgendwo, versteckt, habe ich …
    Er konzentrierte sich auf seine Aufgabe: Luftstraßenkarte studiert, Positionen herausgenommen, mit Rhein-Control über die Flugfreigabe nach Hamburg geplaudert, erhalten … Bloch kurvte nach Frankfurt zurück, von wo aus er auf Kurs nach Norden ging.
    Mahlberg machte sich, gemeinsam mit dem Bordingenieur Brinkmann, an die Programmierung der INS-Geräte.
    Das Inertial-Navigation-System war ein bodenunabhängiges Navigationsgerät, mit dem zum Beispiel die Astronauten ihre verblüffend exakten Mondlandungen durchgeführt hatten.
    Es konnte sämtliche Funktionen eines ausgekochten Navigators ersetzen vorausgesetzt, es wurde korrekt vorprogrammiert und zeigte keine Tücken. Man gab die Längen- und Breitengrade der abzufliegenden Positionen ein; und wenn das Flugzeug dann diese Position abflog, lieferte das Gerät durch entsprechenden Tastendruck erstaunliche Informationen, noch dazu instant. (Ein Navigator der alten Schule hätte dazu mehr als zehn Minuten gebraucht.) Ablage vom vorprogrammierten Kurs. Luvwinkel aufgrund der Windverhältnisse, um auf dem Kurs zu bleiben. Flugzeit bis zur nächsten Position. Eigengeschwindigkeit, Geschwindigkeit über Grund. Aufgrund der herrschenden Schiebe- oder Gegenwinde. Sogar der Wind selber, früher eine zeitraubende Berechnung, war sofort ablesbar. Womit man die nichtsahnenden Atlantik-Passagiere verblüffen konnte: Man fragte den Cockpitbesucher über Irland oder Amsterdam, wohin er denn in Amerika eigentlich wolle. Nach Cincinnati in Ohio. (Der Kopilot suchte aus dem schlauen Buch schon die Koordinaten heraus.) Tastendruck: Oh, davon sei er genau 7.344 Kilometer entfernt. Wenn man mit dieser Geschwindigkeit weiterfliege, würde man genau nach acht Stunden und sechs Minuten dort ankommen. – Aber man fliege doch nur bis Kleflavik auf Island? – Schon, aber das wisse man trotzdem.
    Doll, sagte dann der Passagier und verließ, beeindruckt von der Allwissenheit der Technik, das imposante, freilich recht enge Cockpit.
    Und jetzt programmierten Mahlberg und Brinkmann das magische INS für die Route nach Hamburg, genaugenommen bis zum Funkfeuer Michaelsberg in Schleswig-Holstein. Dort wollte Bloch umkehren. Sie beugten sich über die schreibmaschinenähnliche Tastatur und gaben die Breiten- und Längengrade der einzelnen Positionen auf der Luftstraße nach Michaelsdorf ein. Michaelsdorf war, wie so viele andere Positionen auf den deutschen Luftstraßen – Rodenberg, Warburg, Sulingen, Germinghausen, Hattenheim –, ein unbedeutendes Kaff. Aber in der internationalen Luftfahrt, die über die Bundesrepublik hinwegrauschte, übte es eine wichtige Funktion aus und war stündlich im Mund Dutzender von Flugkapitänen.
    Nachdem die Route vorprogrammiert worden war, ließ sich nun auch der Flug bis nördlich von Hamburg automatisch durchführen, ohne daß die Piloten auch nur die Steuer anzurühren brauchten. Man konnte den Autopiloten, der in der DC-10 ausgezeichnet funktionierte, auf das INS-System schalten. Der flog dann automatisch die vorgewählten Kurse und Positionen ab.
    Über Frankfurt hing eine trübe Abgaswolke, die sich an diesem klaren Frühlingstag um so markanter abprägte. Der Hauptbahnhof mit der schwarzen Graphik seiner Sackgassen-Schienenstränge, das ›Intercontinental‹ am Mainufer, die Betonstrada der Zeil und des Frankfurter Kreuzes, die kargen Reste des Stadtwaldes, die Satellitenstädte bei Rödelheim lagen eingehüllt unter einem bleiblauen Mantel aus Giftschwaden, gegen den sich das klare paradiesische Blau der Stratosphäre wie eine unerreichbare Verheißung zeigte.
    Während die Automatik die ›Steppenadler‹ auf Kurs 015 Grad nach Warburg brachte, fragte sich Mahlberg, wie er es jemals länger als achtundvierzig Stunden dort unten ausgehalten hatte, wo hier oben Freiheit, Klarheit, Grenzenlosigkeit winkten. Plötzlich, mit einer Intensität wie nie zuvor, genoß er das

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