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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Grund herausgefunden. Er wollte ihnen empfehlen, sich zu beeilen, denn Venedig ging langsam, aber sicher mit der Sicht herunter: Smog aus den Industrievierteln, die Venedig erdrückten wie eine Python. Aber ›Marabu‹ war nur über Kurzwelle zu erreichen – das ging nur über die Funkstation Weißkirchen …
    »… Freut mich, daß unsere Datenübermittlung jetzt klappt!« schloß Dr. Manderl vom Wetteramt Offenbach. Gundolf kannte ihn aus dem Fernsehen, wo er wöchentlich seine Großwetterlage-Prognosen erläuterte.
    … Allermann lief inzwischen hilflos umher und suchte verzweifelt einen Aktenordner über das Thema IATA – › Vorschriften über die Beförderung bedingt zugelassener Güter‹. Er wirkte wie ein Raubtier, das endlich aus einem zu engen Käfig in einen unerwartet großen Raum entlassen wurde. Bisher hatte er immer formuliert: ›Wir sind eine Gruppe von Desperados, die in einem zu kleinen Raum zu große Aufgaben zu lösen hat.‹ Nach dem ›Kabuff‹ der alten Flughafenbaracke erschien ihm der neue Großraum geradezu grenzenlos:
    Eine Batterie von fünf Fernseh-Monitoren warf pausenlos die An- und Abflugzeiten aller ›Avitour‹-Flugzeuge auf den Schirm – ihre Abstell- und Boarding-Positionen, Verspätungen und gebuchten Passagierzahlen. (Freilich, die kostspieligste Anlage war für die Katz, wenn die ungelernten Mädchen, die die Daten eingaben, 10 statt 01 schrieben.) Drei ›Telex‹- Schreiber, von denen einer nur für die Wettermeldungen aus Offenbach reserviert war, sechs Telefonanschlüsse, von denen inzwischen drei funktionierten (leidlich), zwei Riesenbedienungspulte für Funksprechverkehr vervollständigten die Anlage.
    »Suchen Sie was Bestimmtes, Allermännchen?« fragte Ulla, der der suchende Assistent fast auf die Nerven ging; Allermann nannte sein Suchobjekt. Ulla fragte:
    »Wollen Sie nachsehen, ob Bomben unter gewissen Umständen transportiert werden dürfen?«
    Sofort wurden die Mienen aller Beteiligten um einen Grad deprimierter. Gundolf meinte:
    »AVI 2000 hat lange nichts mehr von sich hören lassen .«

16
    Drei Uhr nachmittags, an einem wolkenlosen Frühlingstag über Deutschland: unbegrenzte Sicht von den Vogesen bis zur DDR hinter Fulda, vom Mittelgebirge bis zur Eifel. Die einzige Trübung der kristallklaren Luft rührte von den Rauchschwaden der Fabrikschornsteine und den Dunstglocken über den Städten her.
    Seit anderthalb Stunden kreiste die ›Steppenadler‹ zwischen Rüdesheim und Frankfurt. Mit zunehmendem Erstaunen stellte Kopilot Mahlberg fest, wie intensiv die Luftverschmutzung durch Industrierauch war. Nie hatte er sich so ungestört der Landschaft widmen können wie auf diesem Flug, der aus stupiden Warteschleifen bestand – im Jargon als Keeses Rundfahrt bezeichnet. Er beobachtete, wie ein einziger Fabrikschornstein am Main-Mündungs-gebiet sämtlichen Siedlungen im Rheingaugebirge bedeckten Himmel bescherte. Was für diesen Schornstein galt, traf auf die Raffinerien am Rhein bei Worms und Speyer, auf ähnliche Anlagen bei Kelsterbach, Hanau und Mannheim, letzten Endes auf alle Industriegebiete zu:
    Ein unscheinbarer Zylinder kaum sichtbaren Rauches stieg senkrecht empor; man ahnte förmlich, wie glücklich die Anlieger mit ihrer umweltschonenden Fabrik sein mußten. Dann geriet die dünne Fahne in den Windbereich, wurde waagrecht abgebogen, wuchs plötzlich mit der Gewalt eines Kuckucks und entpuppte sich als solide Rauchfahne. Diese Fahne schichtete sich aus, bis sie für die Bewohner ihren örtlichen Himmel verdunkelte, geriet in den Abwind eines Berghangs und strich jetzt als solide Giftwolke über die Erde.
    Für Mahlbergs Blick wurden so, während einer einzigen Warteschleife über dem Niederwald-Denkmal bei Rüdesheim, die Orte Fischbach, Kaub, Rheinböllen, Oestrich und die gesamte Nähe von Münster-Sarmsheim bis Gensingen ausgelöscht. Von Schornsteinen, die oft mehr als fünfzig Kilometer entfernt lagen und denen man fast ansah, wie stolz und umweltfreudig ihre Besitzer gewesen sein mußten, als sie sie ganze zehn, fünfzehn Meter nach oben verlängern ließen, um die neue, vierhundert Meter entfernte Reihensiedlung zu schützen.
    Mahlberg schrak auf; Bloch hatte etwas gesagt, angeordnet, befohlen.
    »Bitte, Captain?«
    »Ich habe gesagt: Wir sollten unseren Paxen mal was Neues bieten!« ›Pax‹ war der › Telex‹- Code für Passagier. »Warum machen wir nicht Sightseeing über ganz Deutschland, statt immer nur über das blöde

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