Deutschlandflug
war Dollinger besessen von der Vorstellung, seine gestrige Beobachtung könne den Schlüssel bilden für die Lösung der Bombendrohung. In kurzen, abgerissenen Sätzen berichtete er ihr von seiner Vermutung.
»Wir sollten die Zentrale informieren. Die Zentrale die Polizei. Die Polizei sollte Ihren Dr. Jason heran bitten.« Sie sah Hoffnungsfunken, wo sie vorher selber nur Verzweiflung gespürt hatte. »Er könnte genau die Stelle beschreiben. Vielleicht ein hilfreicher Hinweis!«
»Meine Herren …« Der Polizeipräsident atmete schwer von Besorgnis. »Ich will Ihnen nicht meine Befürchtungen verhehlen. Sie gründen sich auf Vorgänge der Vergangenheit.«
»Auf welche?« fragte der Verkehrsminister, nur, um zu unterbrechen.
»Anfang vierundsiebzig wurde der Londoner Flughafen Heathrow mit einem Polizeiaufwand abgeriegelt, der dem Laien als das Optimum der Idiotie erscheinen mußte. Wir wissen heute die Tatsachen, die damals streng geheimgehalten wurden.«
»Sie meinen die Kissinger-Affäre?«
»Kissinger war damals mit den Waffenstillstands-Verhandlungen zwischen Israel und Ägypten beschäftigt. Arabische Terroristen wollten ihn deshalb umbringen. Wissen Sie eigentlich, wie?«
Der Verkehrsminister gab sich den Anschein, er erinnere sich.
Direktor Brändel fragte:
»Durch einen Anschlag beim Verlassen des Flugzeuges?«
Querholz schüttelte den Kopf. Er stützte beide Ellbogen auf den Konferenztisch und beugte sich weit vor.
»Die Heathrow-Affäre ist zum Meilenstein einer neuen Terror-Epoche geworden. Damals sollten zum erstenmal SA-7-Raketen auf ein landendes oder startendes Flugzeug geschossen werden. Von einem geparkten Wagen außerhalb der Flughafenumzäunung.«
»Inzwischen sind uns mehrere solcher Versuche bekanntgeworden«, ergänzte der Verkehrsminister. »Aber damals, Anfang 1974, warnte der CIA zum erstenmal das Weiße Haus wegen derartiger Pläne von Terroristen.«
»Als die Pläne, Kissinger in London auf diese neue Art zu erledigen, bekannt wurden, leitete der CIA, zusammen mit der FAA, eine Riesenaktion ein. Sie ging so weit aber das wissen Sie besser, Herr Brändel.«
Brändel fuhr sich durch sein schütteres Haar, unvorbereitet.
»Ah ja … Sie meinen die Ausarbeitung neuer Start- und Anflugverfahren. Extern wurden Gründe der Lärmverminderung für die Umwohner angeführt. Intern sah man diese neuen Steilstart- und Steillandeverfahren aus Sicherheitsgründen als notwendig an. Jeder vermeidbare Tiefflug in der Nähe der Großflughäfen könnte zur Sicherheit der Fluggäste beitragen.«
»Ich muß Sie kurz mit den wichtigsten Eigenschaften dieser damals neuen Terroristenwaffe vertraut machen, damit Sie verstehen, weshalb heute grundsätzlich alle Großflughäfen Europas und Amerikas nicht nur unmittelbar, sondern auch in weiterem Umkreis wenigstens stichprobenartig überwacht werden.« Der Polizeipräsident schenkte sich Apollinaris ein, trank aber nicht. »Die SA-7-Rakete ›Strella‹ wurde von den Sowjets als Infanteriewaffe entwickelt. Sie konnte dem Schützen Schußsicherheit gegen Flugzeuge unter 300 m garantieren. Die erste kombinierte CIA-FAA-Studie, die schon Anfang vierundsiebzig erschien, enthielt bereits alle Tatsachen, die wir heute wissen. Zum Beispiel diese: Zwei Mann reichen aus, das Gerät zu richten, zu laden und abzufeuern. Alles innerhalb einer einzigen Minute, meine Herren. In Paris-Orly hat man Ende vierundsiebzig damit ein jugoslawisches Verkehrsflugzeug beschossen.«
»Sie haben das Wichtigste vergessen«, korrigierte Brändel jetzt. »Diese geschilderten Handhabungen lassen sich bereits in zwanzig Sekunden erledigen. In dieser einen Minute ist auch das Entkommen noch eingeschlossen!«
»Der Vorgang spielt sich deshalb so rasch ab, weil genaues Zielen nicht erforderlich ist. Das Geschoß hat einen Infrarot-Suchkopf, der auf Hitze anspricht. Moderne Düsentriebwerke erzeugen Temperaturen von über 700 Grad Celsius. Sobald der Infrarotkopf auf diese Abstrahlhitze anspricht, wird das Ruder der Rakete magnetisch-mechanisch auf das Abstrahlziel gelenkt. Die Rakete kann somit ihr Ziel nicht verfehlen, ganz gleich, wie ungenau sie abgeschossen wurde.«
»Es sei denn«, unterbrach Brändel, »es gäbe in unmittelbarer Nähe des angepeilten Flugzeuges einen stärkeren Hitzeherd. Genau das ist nach den streng geheimen Unterlagen, die ich vorgestern aus den Staaten erhielt, gerade in Fort Worth-Dallas passiert: ein ›Strella‹ -Anschlag auf eine startende B-747 SP.
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