Deutschlandflug
Das Geschoß verfehlte das Flugzeug, weil unmittelbar neben der Querbahn verbrauchtes Öl entzündet und verbrannt wurde, wie es zum Beispiel auch auf dem Militärteil von Rhein-Main praktiziert wurde. Diese größere Hitze zog die Rakete an. Es gab eine Detonation, die nur Sachschaden forderte.«
»Ein Glücksfall also. Um die Zivilbevölkerung, die Fluggäste nicht zu beunruhigen, werden derartige Gefahren möglichst nicht in den Massenmedien breitgetreten. Die Rakete hat eine Reichweite von fünf Kilometern, kann also weit vom Flughafen entfernt, von einer einsamen Landstraße aus, abgeschossen werden, sofern die Flugzeuge im darüber hinwegführenden An- oder Abflugsektor genügend tief fliegen.«
»Gegenmaßnahmen?« fragte der Verkehrsminister kühl.
»Keine. Außer: verstärkte Patrouillen auch in weiterer Entfernung des Flughafens. Erschwerend kommt hinzu: Alle Nationen produzieren derartige Raketen in zunehmendem Maße für ihre Infanterie. Das erhöht das Diebstahlrisiko ungeheuerlich! Jeder als Ladendieb bewährte Linke kann heutzutage eine solche Rakete aus einem Armee-Depot entwenden und anwenden!«
Der Verkehrsminister fragte: »Ich bin, entschuldigen Sie, kein Waffenfachmann! Was hat die Erwähnung der ›Strella‹ eigentlich mit dem Fall Otto Lilienthal zu tun? Wir haben es doch hier mit einer waschechten Bombenwarnung zu tun?«
»Das schon, natürlich …« sagte Querholz und begann sich zu konzentrieren.
Der Verkehrsminister wurde hartnäckig:
»Ich meine: Uns bleibt nicht viel Zeit. Was soll dieses … entschuldigen Sie, waffentechnische Geschwätz über Raketen? Die Frage ist doch: Wie machen wir die Bombe an Bord der ›Steppenadler‹ unschädlich? Und eine weitere Frage …« Der Verkehrsminister lächelte jetzt kaum weniger süffisant als der Polizeipräsident. »Es sind doch genügend Patrouille-Fahrzeuge in der weiteren Umgebung des Flughafens von vornherein unterwegs gewesen, um derartige Möglichkeiten, wie sie soeben aufgezählt wurden, zu unterbinden?«
»Worum es uns zunächst ging«, ergänzte Querholz, froh und dankbar . »war eine Überlegung, die für einen Durchschnittsdenker …«, er sah demonstrativ auf die basedowschen Augen des Ministers, »überhaupt nicht zur Debatte steht: Was, wenn die Bombe aus irgendeinem technischen Grunde gar nicht detoniert? Auch nicht, wenn die Maschine aus Treibstoffmangel landen muß? Wir haben weitergedacht; wir haben gedacht: Was machen die Terroristen dann? Die, im Gegensatz, haben garantiert weitergedacht! Wir müssen die Möglichkeit einschließen, daß sie dann, um ihre Forderungen durchzusetzen, irgendein landendes Flugzeug auf diesem Flughafen abschießen. Vielleicht … es handelt sich nur um ein Vielleicht, mit einer ›Strella‹. Ich habe weiter nichts getan, meine Herren, als Ihnen diese, ich gebe zu, sehr weitreichenden Gedanken zu vermitteln …« Der Polizeipräsident schwieg, sich seiner Wirkung bewußt. Aber damit begnügte er sich nicht. Um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, er habe das alles nur um seiner Wirkung willen vorgetragen, zerstörte er sie scheinbar durch ein Nebenmanöver. »Wußten Sie übrigens, daß nicht Heathrow im Januar vierundsiebzig, sondern schon Rom am 5. September 73 der Anlaß war, Vermutungen über die ›Strella‹ anzustellen? Damals stellte die italienische Polizei auf Fiumicino einige der dreißig Pfund schweren Waffen in Sicherheit! Und vor der Heathrow-Affäre war Brüssel der Schauplatz einer ähnlichen Aktion gewesen. Aber die war zu keiner Zeitung durchgesickert! Heute kann ich Ihnen das alles ungeniert verraten! Ich glaube, von all dem hat das verehrte Verkehrsministerium keine Ahnung gehabt!«
Seit 14 Uhr 30 brachten alle deutschen Sender eingeblendete Sonderberichte und Informationen über den Verlauf der Aktion. Einer von ihnen beschäftigte sich mit der Bildung der beiden Krisenstäbe. Außer dem Polizeistab des Flughafens tagte im Außenministerium Bonns der Krisenstab der Regierung. Die Botschaften der arabischen Länder waren informiert und um Unterstützung und Distanzierung von der Terroraktion gebeten worden. Über die Frage, ob nicht in erster Linie das Innenministerium Mittelpunkt hätte sein müssen, würde sich noch wochenlang ein interner Streit entfachen.
Über den Krisenstab am Flughafen berichtete ein Reporter des Hessischen Rundfunks:
»Tickernde Fernschreiber, klingelnde Telefone und krächzende Funkgeräte bestimmen hier den Stunden-, nein, den
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