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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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bestanden, die zuständigen Organe zu beauftragen, die gefährdete Sicherheit wiederherzustellen. Richtig?«
    »Richtig!«
    »Das wäre es dann aber auch!« entgegnete Querholz plump, aber mit voller Breitseite.
    Nachdem der Minister so auf eine einsame Insel verbannt worden war, entdeckte er seine leutselige Ader.
    »Mein bester Querholz! Wir kennen uns jetzt … wie lange ist es eigentlich her, seitdem wir zusammen …«
    Der Präsident wartete geduldig; er vermochte sich nicht zu erinnern.
    »Also gut: Uns beiden gemeinsam ist doch, daß uns das Schicksal von …«
    »Von über zweihundert …« half Querholz zynisch aus.
    »… Menschen am Herzen liegt. Wir müssen alles tun, sie auf dem schnellsten Wege aus ihrer bedrohlichen Lage zu befreien.«
    »Wenn Sie jetzt Ihr Statement fürs abendliche Fernsehen vorbereiten, gehe ich solange endlich mal was essen.«
    »Sollten Sie etwa unsere gemeinsame inoffizielle Version nicht kennen, Querholz?«
    Der Minister sah ihn lauernd an, suchte dann, als er dem eisigen Blick des Präsidenten nicht widerstehen konnte, nach Streichhölzern für seine Verlegenheitszigarette, die in seinem breitwangigen Gesicht ein wenig dünn aussah.
    »Aus dem Effeff!« Querholz verfolgte, ohne einzuspringen, geduldig, wie der Minister mit seinen dicken Fingern an den widerspenstigen Pappstreichhölzern herumbastelte.
    »Wir wollen beide unsere Schäfchen ins trockene bringen. Sie wollen gut dabei abschneiden. Ich möchte gut dabei abschneiden.«
    »Sie haben Fehler mit Ihren Studenten, ich mit meinen Piloten gemacht!« lenkte der Minister versöhnlich ein.
    »Wieso Ihre Piloten, wieso meine Studenten?« beharrte Querholz unversöhnlich.
    »Also gut, Sie haben ja recht gehabt mit Ihrem sechsten Sinn: Die Gangster haben den Otto Lilienthal als Dekoration für ihre Erpressung erkoren. Zufrieden?«
    Eiskalt entgegnete der Präsident: »Und womit wollen Sie Ihre weitere Anwesenheit am Schauplatz der Geschehnisse begründen?«
    Das Läuten des Telefons enthob ihn einer bindenden Antwort. Während er sprach, tippte er häufiger als nötig die Asche von seiner Zigarette. Nachdem er aufgelegt hatte, zeigte sein Gesicht satte Zufriedenheit.
    »Der Becker und Mans vom SPIEGEL! Sind in zwei Stunden hier, mit der LH 734 aus Hamburg. Wollen mich interviewen, am Ort des Geschehens.«
    Kleines Nachgefecht: »Sie haben doch nicht etwa abgesagt?« fragte Querholz ironisch.
    »Darf ich Sie dann, trotz des Interviews, stören, falls sich eine akute Notsituation für die Passagiere ergibt?«
    Der Polizeipräsident war ein geschickter Redner und Dialektiker. Er hatte einen dringend benötigten Urlaub auf den Privatbesuch einer Rednerschule verwendet: Er war zu Freudenfeld nach Köln gegangen.
    Unter den Fittichen dieses Institutsleiters trafen sich Unternehmer und Manager, um sich das ideologische Rüstzeug zur Abwehr linker Systemveränderer zu holen. Voraussetzung war natürlich, daß man das System bejahte. Aber da konnte der Präsident mit ausgezeichneter Note aufwarten: Er hatte bisher alle Systeme bejaht, unter denen er groß geworden war. Nachdem Mitte der sechziger Jahre das deutsche Wirtschaftssystem zum Angriffsobjekt der außerparlamentarischen Opposition geworden war, entschlossen sich die Kölner Industriesprecher zur ideologischen Aufrüstung.
    Der Polizeipräsident fühlte sich, abgesehen davon, daß er die meisten Koryphäen der deutschen Wirtschaft bereits kannte, auch sonst völlig unter seinesgleichen und hatte keine Hemmungen, sich intensiv mit Argumentationsübungen, Rede- und Diskussionstechniken zum Thema Leistungsprinzip, Betriebsverfassungsgesetz und Umweltschutz zu beschäftigen, bis ihm, von Pseudo-Linken in die Enge getrieben, der kalte Schweiß ausbrach. Eine harte Nahkampfübung. Für ihn war die Funktion der Polizei und Anerkennung des herrschenden Systems ein und dasselbe.
    Noch wichtiger allerdings waren ihm die Tests und Aufgaben, die ihn fit für das Fernsehen machen sollten. Erfahrene Fernsehjournalisten des WDR, wie zum Beispiel Heiko Engelkes und Friedrich Porck, wurden angeheuert. Unter der Regie der Telepraktiker mußte er sich vor der Kamera offenbaren – zum Beispiel in kurzen Statements aus dem Stegreif. Interviews und Roundtable-Gespräche folgten. Anhand der Aufnahmen wurden die Fehler und Blamagen besprochen. So lernte der Präsident scheinbar banale Kleinigkeiten wie: richtig atmen, richtig in die Kamera blicken, die Krawatte richtig wählen, eine entspiegelte

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