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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Brille zu tragen (er trug noch gar keine; aber man konnte nie wissen), keine reflektierenden Manschettenknöpfe oder Anstecknadeln zu wählen und nicht auf die Tischplatte zu trommeln. Als der Präsident beim Abschied den geradezu lächerlichen Almosenbetrag von DM 320 auf den Tisch des Instituts blätterte, hatten bereits 78 Firmeninhaber und Geschäftsführer, 75 Direktoren, 29 Vorstandsmitglieder, 25 Verbandsführer und 4 stellvertretende Vorstandsmitglieder teilgenommen. Er war der erste Außenseiter. Die Dresdner Bank hatte 20 führende Herren gleichzeitig freigestellt. Bayer, Henkel, Mannesmann hatten Vorstandsmitglieder zum Tele-Training entsandt. Von der Maschinenfabrik Rüsen in Moers war der Geschäftsführer erschienen.
    Der Präsident und seine alten Kameraden hatten längst den Trend der Zeit erkannt. Wahrheit an sich war uninteressant geworden. Worum es ging, war: seinen Standpunkt mit dem nötigen Public-Relations-Nachdruck zu vertreten. Längst siegte im politischen Leben nicht mehr der Mann mit den fruchtbarsten Ideen, sondern der mit der besten Werbeagentur; Amerika praktizierte diese Methode seit über einem Jahrzehnt. Mochten unter dem Smog der Oberrheinischen Tiefebene noch so viele Menschen erkranken, wenn es den verantwortlichen Industrieunternehmen gelang, nachzuweisen, daß ihr Schadstoffausstoß mehr als 2,8 Prozent weniger als die des Konkurrenten betrug und sie diese statistische Tatsache werbetechnisch geschickt zu präsentieren wußten, dann waren diese Lungen- und Asthmaleidenden plötzlich nicht mehr existent, auch für das öffentliche Bewußtsein nicht – und nur darum ging es schließlich: um die Verteidigung des eigenen Standpunktes, der eigenen wirtschaftlichen Interessen – nicht um Menschen.
    Die Trauung hatte im engsten Kreis stattgefunden – in einem Spessartdorf nahe Schloß Mespelbrunn, vor einem Riemenschneider-Altar.
    Und jetzt kreiste seine Frau seit … er warf einen verzweifelten Blick auf die Weltzeiten-Uhr … seit mehr als fünf Stunden mit einer Bombe neben sich über Deutschland, kreuzte vom Timmendorfer Strand zur Zugspitze und zurück an die Ostsee … Kopilot Mahlberg hatte gemeldet, man könne querab von Pinneberg sogar Berlin im Dunst erkennen oder zumindest den Dunst über Berlin – eine irre Sicht … Nie einen wundervolleren Frühlingstag erlebt.
    Während er seine Kassler mit Sauerkraut in sich hineinschlang (Ulla: »Sie schlagen Ihre Zähne hinein, als wollten Sie Ihre Feinde verspeisen«), versuchte er Ordnung in seine Gedanken zu bringen.
    Nach den letzten Treibstoffberechnungen von Bordingenieur Brinkmann konnte sich die ›Steppenadler‹ bis 23 Uhr 55 in der Luft halten. Die Werte würden eher günstiger als schlechter werden; sie sparten den Langsamflug mehr, als in den Tabellen errechnet worden war. Gut bis sehr gut!
    Allen war unerklärlich, wie die Bombe an Bord gelangt sein konnte. Schlecht. Daß sie an Bord war, stand fest. Noch schlechter.
    Ulla unterbrach seine Gedankengänge, gerade, als er auf einen dunklen Punkt gestoßen war und noch einmal die Vernehmungsprotokolle der ›Avitour‹ -Angestellten durchgeblättert hatte.
    »Ja?«
    »Inzwischen sind schon drei Meldungen in den Nachrichten über den Fall Lilienthal durchgegeben worden. Wer hat da eigentlich aus der Schule geplaudert? Quandtchen? Der kann doch kein Interesse an dieser Art von Public Relations haben?«
    »Niemand hat geplaudert«, erläuterte Thomas. »Die Presse und der liebe Rundfunk erfahren auf eigene Faust davon. Und wissen Sie, wie?«
    Ulla kraulte ihrem OLI in die Stoffwange.
    »Hat er's verraten?«
    »Das FLB-12 oder X-1 1-5. Tragbare UKW-Empfänger, mit denen man die Frequenzen für den Polizeifunk, den Taxiverkehr, den Hafenfunksprechverkehr und eben auch den Luftverkehr abhören kann. Irgendein cleverer Reporter ist immer unterwegs und hat sein Gerät auf die interne Frequenz der ›Avitour‹ oder ›Lufthansa‹ geschaltet. So hört er alles mit, was an Notfällen publizistisch interessant werden könnte.«
    »Eigentlich eine Schweinerei!« meinte Allermann.
    Aber Thomas war in die Polizei-Protokolle vertieft. Als er aufsah, spürten Allermann und Ulla, daß er Wichtiges entdeckt hatte. »Weshalb ist der gute Niko gar nicht verhört worden, unser Grieche?« fragte er.
    Tatsächlich war der R & S-Mann, wie er im Jargon hieß, lediglich von Misch erwähnt worden. Er hatte vor dem Bereitstellen des Flugzeugs die Sicherheitsausrüstung

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