Deutschlehrerin
Büchern keinen Erfolg gehabt hast und dass wir viel gestritten haben.
Xaver: Woher hat sie es gewusst? Du hast ja kaum mit ihr geredet.
Mathilda: Sie hat meinen Bruder ausgequetscht und der wusste ja Bescheid. Auf alle Fälle habe ich sie zu Weihnachten besucht –
Xaver (lacht): Vor deinen Pflichtbesuchen zu Weihnachten und zu ihrem Geburtstag warst du immer total grantig.
Mathilda: Sie sagt dann grinsend zu mir, während wir neben dem Christbaum sitzen, Stefan und Nathalie waren auch dabei: Na, wie geht’s deinem Versager, bringt er kein Geld heim? Musst alles du zahlen? Ich habe es dir ja gesagt, dass ein Schreiberling nichts taugt, sogar ein Maurer verdient besser. Oder so ungefähr.
Xaver: Oh mein Gott. Hat sie dir das gesagt, dass ein Schreiberling nichts taugt? Das hast du ja auch nie erzählt.
Mathilda: Ich habe ihr nach zwei Jahren gesagt, dass ich einen Freund habe, weil wir ja gemeinsam die Wohnung gesucht haben und sie hat sofort nach deinem Beruf gefragt, nicht nach deinem Namen oder woher du kommst, nein, nach deinem Beruf. Der Beruf eines Menschen war ihr immer ganz wichtig, der Charakter hat nicht gezählt. Ich habe ihr also gesagt, dass du Schriftsteller bist und sie hat es zuerst gar nicht verstanden. Ich habe ihr erklärt, dass du Bücher schreibst, und sie hat angefangen zu lachen. Sie hat so laut gelacht und sich nicht mehr beruhigt. Sie hat gefragt: Was Gescheiteres hast nicht gefunden? Für uns Studenten war es etwas Besonderes, wenn jemand Künstler war, für meine Mutter war es nur ein Witz.
Xaver: Wie schwer war deine Mutter zum Schluss?
Mathilda: An die zweihundert Kilo, glaube ich.
Xaver: Meine erste Begegnung mit ihr war total lustig.
Mathilda: Lustig? Sie hat dich von oben bis unten angestarrt und den ganzen Tag kein einziges Wort mit dir geredet.
Xaver: Aber sie hat mich angeschnarcht.
Mathilda: Was?
Xaver: Du hast mich zum ersten Mal mitgenommen, da haben wir schon drei Jahre zusammengewohnt. Ich musste richtig betteln, dass du mich bei einem deiner Pflichtbesuche mitnimmst. Du hast dich so dagegen gewehrt, dass ich deine Familie kennenlerne.
Mathilda: Weil ich mich geschämt habe. Das wollte ich dir aber auch nicht sagen, dass ich mich schäme.
Xaver: Das hast du nicht sagen müssen, das war eindeutig zu sehen. Ich fahre also zu ihrer Geburtstagsfeier mit. Wann war das?
Mathilda: Am 5. April 85.
Xaver: Wir trinken in der kleinen Küche Kaffee und essen Kuchen und reden krampfhaft übers Wetter. Plötzlich steht ihr drei, dein Bruder, seine damalige Freundin und du, auf und macht euch fertig zu einem Spaziergang in die Altstadt. Ich sage, dass ich noch einen Kaffee trinken will und gleich nachkomme. Ich sitze deiner Mutter gegenüber und trinke meinen zweiten Kaffee. Sie schlingt ihren Kuchen hinunter, wischt sich den Mund mit der Hand ab, faltet die Hände über ihren fetten Bauch und schläft ein. Sie ist am Tisch eingeschlafen!
Mathilda: Ja, das ist sie öfter.
Xaver: Aber so plötzlich! In einem Moment fixiert sie mich noch mit ihren Schweinsäuglein und im nächsten Moment schläft sie tief und fest. Ich denke mir noch, dass sie einfach so die Augen geschlossen hat, aber auf einmal fängt sie zu schnarchen an! Sie sitzt vor mir und schnarcht, was das Zeug hält. Es ist ein unglaubliches Geräusch, laut, rasselnd und fast unmenschlich. Ich will mich auf den Weg machen und stelle fest, dass ich in eurer kleinen Küche in der Falle sitze.
Mathilda: Bist du im Eck gesessen?
Xaver: Ja, deine Mutter sitzt auf dem Stuhl vor der Tür und ich hinten in der Eckbank. Die Tür zum Gang hin ist zwar offen, aber mit ihrer monströsen Leibesfülle füllt sie den Türrahmen komplett aus. Komplett! Da gibt es rechts und links keine zehn Zentimeter Luft, durch die ich mich ins Freie zwängen kann. Die Tür ist verbarrikadiert und die Fettwulste der Barrikade zittern bei jedem Schnarcher.
Mathilda (lacht): Was hast du gemacht?
Xaver: Ich krieche also unter den Tisch und begutachte die Lage, das heißt den Stuhl. Ich frage mich, ob ich darunter durchrobben kann, ohne dass es deine Mutter merkt und aufwacht.
Mathilda: Du bist wirklich unter dem Stuhl durchgekrochen?
Xaver: Ja, und ich habe Todesängste dabei ausgestanden, das kannst du mir glauben. Wenn der Stuhl zusammengebrochen wäre, wäre ich darunter erstickt. Draußen hast du mich gefragt, wo ich denn so lange geblieben und warum ich so schmutzig bin. Ich habe dir nicht gesagt, dass ich gerade den Boden in der Küche
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