Deutschlehrerin
sie hat nicht schlecht über dich gesprochen«, oder: »Nein, wirklich, unser Campingurlaub hat mir gut gefallen.«
Er gab zögernd die Liebschaft zu. Juliana war eine Philosophiestudentin, die bei Xaver eine Schreibwerkstatt besucht hatte, das pure Gegenteil von ihr, unkonventionell, schräg, sie trug bodenlange Röcke, eine Menge klirrender Armreifen, rauchte wie ein Schlot und soff. Sie quetschte ihn aus, er stand Rede und Antwort. Für Xaver war die Affäre mit Juliana unbedeutend – er hatte wesentlich aufregendere Liebschaften genossen –, sie erlangte ihre große Bedeutung nur in seiner Beziehung mit Mathilda, weil mit ihr sein Lügengerüst einstürzte und Mathildas Vertrauen in ihn erlosch. Sie war enttäuscht und verletzt und fragte sich, warum sie so viel für ihn tat, wenn er sie doch ohnehin betrog und somit ihre Beziehung mit Füßen trat. Sie verlor für Monate jede Energie, nahm mehrere Kilo ab und wurde zittrig und fahrig. Xaver schmerzte es, sie so zu sehen und er bemühte sich, sie zu trösten, nie war er so zärtlich gewesen wie in diesen Monaten. Juliana sah er nie wieder. Vier Jahre später lasen sie in der Zeitung ihre Todesanzeige, sie war in ihrem eigenen Bett verbrannt, weil sie mit einer brennenden Zigarette eingeschlafen war.
Es sollte die einzige Affäre bleiben, über die Mathilda Bescheid wusste, von den weiteren ahnte sie nur manchmal, und selbst dann fragte sie nie nach Namen oder Einzelheiten. Xaver traf sich mehr als ein Jahr lang nicht mit anderen Frauen und tat es später seltener und vor allem vorsichtiger.
Für Mathilda schob sich ein anderes Problem in den Vordergrund: Sie wünschte sich immer sehnlicher ein Kind, Xaver jedoch nicht.
MATHILDA ERZÄHLT XAVER VON IHREN VERMUTUNGEN
Xaver: Ich hätte dir nie das Kind schenken können, das du dir so gewünscht hast.
Mathilda: Ich hätte damit leben können.
Xaver: Ja? Du hast dir so sehr ein Baby gewünscht.
Mathilda: Ich habe mir ein Leben mit dir gewünscht. Ein Baby hätten wir adoptieren können.
Xaver: Ich habe bei einer Vorsorgeuntersuchung in München erfahren, dass ich zeugungsunfähig bin. Da war Jakob schon ein Jahr alt. Du hast also vor mir gewusst, dass er gar nicht mein Sohn ist.
Mathilda: Der Vater war ihr zweiter Ehemann, dieser gewalttätige, trinkfreudige Rennfahrer, den sie damals unbedingt loswerden wollte.
Xaver: Woher weißt du das?
Mathilda: Es ist eine Vermutung. Stand oft genug in den Zeitschriften. Stimmt es?
Xaver: Ja.
Mathilda: Die reiche Frau beichtet alles und bittet den Schriftsteller, alles auf sich beruhen zu lassen, sie erinnert ihn an die leidenschaftliche Liebe, die sie verbindet. Von wem das Kind ist, sei ja letztlich egal. Aber der Schriftsteller fühlt sich betrogen und belogen und ist sehr unglücklich.
Xaver: Was er aber schon vorher war.
Mathilda: Wirklich?
Xaver: Die Beziehung zwischen Denise und mir war von Anfang an keine gute. Schon kurz nach unserer Hochzeit ist mir das ganze eitle Getue mit diesem »Ich will raus in die Natur und ganz ursprünglich leben!« so auf die Nerven gegangen! Ich wollte nicht raus in die Natur und ursprünglich leben.
Mathilda: Du wolltest die Natur mit Beton überziehen.
Xaver: Ich habe mich degradiert gefühlt, degradiert zum Babysitter und Bauern. Denise war so viel unterwegs! Ihre Schickimicki-Freundinnen waren –
Mathilda: Was?
Xaver: Zum Kotzen. Ich war auch nicht der Schriftsteller, sondern nur ein Anhängsel, der Mann der reichen Denise Sonnenfeld. Aber das hätten wir alles überwinden können. Das Schwierigste für mich war, dass wir nicht miteinander reden konnten, über nichts, unsere Lebenswelten waren so weit voneinander entfernt. Wir haben uns überhaupt nicht verstanden. Sie hat den ganzen Tag esoterisches Zeug vor sich hingegackert, über Yoga, Meditation, Ursprünglichkeit der Natur und so weiter. Ich habe das Reden über Bücher vermisst und das Geschichtenerzählen. Ich habe dich vermisst.
Mathilda: Der Schriftsteller wird also immer unglücklicher. Er hockt auf dem riesigen Bauernhof, ist viel alleine mit dem hyperaktiven Jakob, die reiche Frau ist viel unterwegs. Er schafft es nicht, Jakob zu lieben, obwohl er sich jeden Tag einredet, dass der Kleine ja nichts für die verzwickte Situation kann. Die Tatsache, dass der Bub außerordentlich trotzig, anstrengend und quengelig ist, macht die Sache auch nicht besser. Der Schriftsteller überlegt schon seit Wochen, ob er sich nicht trennen soll. Liege ich
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