Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deutschlehrerin

Deutschlehrerin

Titel: Deutschlehrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Taschler
Vom Netzwerk:
nächsten Tag lernt Richard seine Tochter Mary, ihren Mann und seinen kleinen Enkelsohn kennen. Richard und Dorothy verbringen viel Zeit miteinander und er bewundert, dass sie ihre fröhliche, positive Art nicht verloren hat. Einmal sagt sie zu ihm: »Ich hege keinen Groll gegen dich, so wie es war, war es gut, ich habe und hatte ein erfülltes Leben.« Die beiden kommen sich wieder nahe und Richard verlängert seinen Aufenthalt. Er überlegt, in Milwaukee zu bleiben. Dorothy überlegt, mit Richard eine längere Europareise zu machen, sie möchte seine Heimat kennenlernen. Die beiden sind glücklich.
    Xaver: Bis der Tod sie scheidet?
    Mathilda: Bis der Tod sie scheidet.
    Xaver: Du hast deine Vorliebe für Happy Ends nicht verloren.
    Mathilda: Für dich wünsche ich mir auch ein Happy End, Xaver. Stell dich der Polizei, stell dich Denise, und sag die Wahrheit. Und dann fang ein neues Leben ohne die quälenden Geister der Vergangenheit an.

MATHILDA UND XAVER
    Als Mathilda sechsunddreißig war, bekamen ihr Bruder Stefan und seine holländische Frau Nathalie ihr zweites Kind, auf Tochter Desiree war Sohn Kevin gefolgt. Mit fünfundzwanzig war Stefan auf Wunsch seiner Firma, er arbeitete als Werkzeugmechaniker bei einem internationalen Konzern, nach Holland gegangen, wo er bald darauf Nathalie kennengelernt hatte. Mathilda war erstaunt, dass eine derart feinfühlige Frau wie Nathalie sich für ihren einfachen, wortkargen Bruder interessierte, und war noch mehr erstaunt, wie gut die Beziehung harmonierte. Sie sah ihren Bruder selten: Wenn er zu Weihnachten bei Martha auf Besuch war und sie auch heimkam, weil sie Stefan sehen wollte, oder wenn sie in den Sommerferien nach Holland fuhr. Sie konnte in dieser jeweils kurzen Zeit spüren, dass er glücklich war.
    Stefan lud seine Schwester ein, nach Holland zu kommen, den kleinen Kevin kennenzulernen, Xaver konnte nicht mitkommen, da er eine Sommergrippe hatte.
    Und dann saßen sie im Garten des kleinen Häuschens, das Stefan für seine Familie in Leeuwarden gekauft hatte, tranken Kaffee und aßen Torte. Auch Nathalies Eltern, mollige, humorvolle Menschen, waren dabei und sie unterhielten sich mit ihr in gebrochenem Deutsch. Mathilda sah zu Nathalie hinüber, die auf der Hollywoodschaukel saß und das Baby stillte, neben ihr die kleine Desiree. Nathalie trug ein weißes, verspieltes Sommerkleid und das Mädchen trug etwas Ähnliches und alle drei sahen sie entzückend aus, es war wie in einem kitschigen Film. Neben ihnen blühten die Rosen, um sie herum schwirrten Schmetterlinge, das Kind gluckste gerade, spielte mit einem Gänseblümchen und das Baby schlief beim Trinken ein. Stefan stand auf und setzte sich neben seine Frau, das Mädchen zwischen ihnen, und sie küssten sich sanft auf den Mund. Da wurde Mathilda bewusst, das war das Glück, so musste es sich anfühlen, und sie hätte alles darum gegeben, das Gleiche erleben zu dürfen, mit Xaver an ihrer Seite und seinem Kind auf ihrem Schoß. Ihr versetzte die Szene einen Stich in die Brust, nicht nur einen, sondern viele, sie waren messerscharf, und sie musste sich an der Stuhllehne festhalten, sonst wäre sie umgekippt.
    Bei der Rückfahrt fühlte sie sich so miserabel und todunglücklich, in ihrem Inneren tobte es, am liebsten hätte sie die ganze Zugfahrt über geheult und es den Mitreisenden ins Gesicht gebrüllt: »Ich will ein Baby, ich will endlich ein Baby!«
    Als sie dann in Wien ankam und Xaver am Bahnsteig stehen sah, mit einem Blumenstrauß in der Hand, machte ihr Herz einen Sprung, sie spürte, wie sehr sie sich freute, ihn wiederzusehen, und wie sehr sie ihn immer noch liebte. Er schloss sie in seine Arme und sie atmete seinen Geruch ein. Zum ersten Mal durchzuckte sie der Gedanke, dass sie ihn nie aufgeben würde, selbst wenn sie auf ein Kind verzichten müsste. Sie konnte und wollte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen.

VERNEHMUNGSPROTOKOLL VON XAVER SAND AM 9. MÄRZ 2012
    Kripobeamter Josef Zangerl: Kommen wir endlich zum 27. Mai 1998. Können Sie uns genau schildern, was da passierte?
    Xaver Sand: Meine Frau war am Vortag schon nach Istanbul abgereist, wo sie mit drei Freundinnen übers Wochenende bleiben wollte. Jakob sollte bei mir – und dem Au-pair – bleiben. An dem Tag war es angenehm warm und ich war mit Jakob allein, eine Weile war die Haushälterin da, sie ging aber gegen Mittag. Liv, ich meine das Au-pair, war in der Stadt, weil sie ein Seminar auf der Uni hatte. Ich spielte die ganze

Weitere Kostenlose Bücher