Devil Riders 1 Herz im Sturm
einmal umhört“, sagte Gabriel. „Seit mindestens sechs bis acht Wochen hat niemand mehr deinen Vater gesehen.“
„Sie stecken mich aber nich ins Waisenhaus, oder, Sir? Da geh ich nämlich nich hin. Lieber laufe ich weg.“ Jim sah sich verzweifelt im Raum um und spannte sich fluchtbereit an.
„Nein, wir bringen dich nicht ins Waisenhaus“, versicherte Gabriel.
Jim sah ihn eindringlich an. „Versprochen?“
„Versprochen, aber du musst mir die Wahrheit sagen.“
Jim betrachtete ihn prüfend, und Gabriels Gesichtsausdruck schien ihn zu beruhigen, denn er entspannte sich sichtlich. „Mein Dad ist seit mehr als zwei Monaten weg. Ich glaub, er ist tot. So lang hat er mich noch nie allein gelassen - nie länger als ne Woche.“ Er schniefte und wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. Gabriel gab ihm ein Taschentuch. Jim nahm es dankend, faltete es zusammen und steckte es sich in die Hosentasche, ohne es benutzt zu haben.
„Wenn du einverstanden bist, Jim, werde ich mich in Zukunft um dich kümmern. Aber du wirst mir immer und jederzeit die Wahrheit sagen.“
Der Junge sah ihn argwöhnisch an. „Was soll ich dafür tun?“ „Ich bin mir noch nicht sicher. Im Moment möchte ich, dass du Nicky Gesellschaft leistest.“
Jim runzelte die Stirn. „Sie meinen, ich soll auf ihn aufpassen, weil Schurken wie dieser schleimige gelbe Graf hinter ihm her sind?“ Gabriel lächelte. „So in etwa. Ich möchte, dass du ihm Gesellschaft leistest. Du wirst mit ihm zusammen bei Miss Tibby Unterricht haben. Und du tust alles, was Mrs Barrow von dir verlangt. Wenn wir dann in ein, zwei Tagen nach London fahren, nehmen wir dich vielleicht mit. Wenn du magst.“
Jim machte große Augen. „Nach London? Sie veräppeln mich aber nich, oder, Sir?“
„Nein, Jim.“
Die Miene des Jungen hellte sich auf. „Au ja, ich fahr mit nach London! Ich pass auf Nicky auf, gehe zum Unterricht und bin immer brav, Sir, Sie werden schon sehen!“
Gabriel lachte. „Gut. So, und nun sollten wir wohl einen Gedenkgottesdienst für deinen Vater abhalten lassen, was sagst du dazu?“ Jim runzelte wieder die Stirn. „Sie meinen, in der Kirche?“ Gabriel nickte. „Ja.“
„Mein Dad hat Kirchen und Pfaffen gehasst, wenn ich das so sagen darf, Sir. Ich will keinen Gedenkgottesdienst für ihn.“ Er sah Gabriel sorgenvoll an. „Wenn Sie mich nun doch nich behalten wollen, Sir, dann kann ich das verstehen ... aber ich könnte meinen Dad nich so enttäuschen. Er war ein guter Dad.“ Er schniefte erneut und benutzte wieder seinen Ärmel.
Gabriel war gerührt. Er fuhr Jim mit der Hand durch das kurze Haar. „Nein, du hast ganz recht, die Wünsche deines Vaters zu respektieren. Trotzdem finde ich, du solltest dich irgendwie von ihm verabschieden. Was glaubst du, über welchen Abschiedsgruß von uns würde er sich freuen?“
An jenem Abend versammelten sie sich alle bei Einbruch der Dämmerung am Strand, ganz in der Nähe von Jims Hütte. Mrs Barrow hatte gebratenes Fleisch und andere Speisen für die Gedenkfeier vorbereitet. Barrow hatte überall herumerzählt, was sie vorhatten, und ungefähr zwanzig Freunde von Jims Vater waren gekommen. Sie schienen genau zu wissen, was er sich gewünscht hätte.
Zuerst entfachten sie ein Feuer am Strand. Sie trugen Felsbrocken oben auf der Klippe zusammen und errichteten dort eine Art Denkmal für den Verstorbenen. Anschließend holten sie unten am Strand ein altes, nicht mehr seetaugliches Boot, dessen Seite aufgeschlitzt war. Die Fischer reparierten es notdürftig, nagelten Planken über den Riss und dichteten das Ganze mit heißem Teer ab.
Jim holte eine Reihe von Habseligkeiten aus der Hütte seines Vaters, die er unter den Fischern verteilte; seines Vaters Kleidung, seine Werkzeuge und verschiedene andere kleine Erinnerungen aus dem Leben eines Mannes. Es waren erbärmlich wenige.
Jeder bekam etwas geschenkt. Callie schenkte der Junge einen schönen großen Kiesel mit einer versteinerten Farnrispe darin. Tibby erhielt einen ähnlichen Kiesel mit einer versteinerten Muschel.
Jims Vater war ein einigermaßen begabter Schnitzer gewesen und hatte ein paar wirkliche schöne Arbeiten hinterlassen. Jim schenkte Nicky einen Walknochen mit einem eingeschnitzten Meerungeheuer.
„Zeigen Sie das bloß nicht Mrs B.“, flüsterte er Barrow ins Ohr und gab ihm ein Messer mit einem knöchernen Heft. Barrow betrachtete es und zwinkerte Jim zu. Der Knochen war zu einer ziemlich skandalös aussehenden Nixe
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