Devil Riders 1 Herz im Sturm
Feingefühl. Er war streng zu Nicky gewesen, Nicky zuliebe. Er hatte das für richtig gehalten. Die Grausamkeit hatte darin bestanden, dass er seine Enttäuschung über seinen Sohn nicht hatte verbergen können.
Genau wie die Enttäuschung über seine Frau.
Sie fuhren in den New Forest ein. Hier im Wald war es stiller, die Bäume waren von üppigem Grün und voller neuer Triebe. Sie standen längst nicht so dicht, wie Callie erwartet hatte; es gab immer wieder große Lichtungen, auf denen wilde Ponys grasten. In Zindaria waren die Wälder dunkler und undurchdringlicher.Ruperts Jagdhütte hatte mitten im Wald gelegen. Callie war nur ein einziges Mal dort gewesen.
Der schlimmste Fehler ihres Lebens.
Er hatte seine Jagdhütte oft aufgesucht, fast jede Woche. Manchmal nur für ein, zwei Nächte, manchmal aber auch länger. Das hing ganz von der Jagdbeute ab, wie er immer sagte.
Sie hatte geglaubt, er meinte Tiere damit.
Frauen hätten in der Hütte keinen Zutritt, hatte er behauptet. Zu der Zeit hatte sie es nicht ertragen können, von ihm getrennt zu sein. Sie hatte ihn so schmerzlich vermisst, dass es ihr beinahe körperlich wehtat.
Er war schon eine Woche fort gewesen und sollte noch eine weitere Woche dortbleiben.
Zu Beginn der zweiten Woche jedoch hatte sie eine wundervolle Neuigkeit erfahren. Ihre Regel kam normalerweise pünktlich wie ein Uhrwerk, nun war sie bereits zwei Wochen überfällig. Callies Brüste waren empfindlich und ein wenig angeschwollen, und sie war an drei aufeinanderfolgenden Tagen morgens wach geworden und hatte sich übergeben müssen.
Sie hatte geglaubt, sie wäre krank, doch ihre Zofe war ganz aufgeregt gewesen. Sie hatte Callie ein paar intime Fragen gestellt und dann den Palastarzt gerufen.
Callie wusste noch, wie überglücklich sie gewesen war, als sie erfahren hatte, dass sie ein Baby bekommen würde.
In ihrem Glück hatte sie nicht abwarten können, bis Rupert nach Hause kam. Sie wusste, er wünschte sich sehnlichst einen Sohn. Sie hatte die Kutsche bestellt und war in den Wald zur Jagdhütte gefahren.
Sie konnte sich noch an jede Minute dieser Fahrt erinnern. Es war Frühling gewesen, wie jetzt auch. Alles grünte und blühte. Auf den Wiesen standen schneeweiße, winzige Lämmer; zierliche staksige Fohlen drängten sich an ihre Mütter. Im Wald sah sie sogar ein Reh mit seinem kleinen langbeinigen Kitz. Der Anblick rührte sie fast zu Tränen.
Sie fühlte sich glücklich und im Einklang mit dieser neuen, kostbaren Welt, fruchtbar, reich und beschenkt - auch sie würde Mutter werden.
An der Jagdhütte untersagte sie den Bediensteten, Rupert ihr Kommen anzukündigen. Sie wollte ihn überraschen.
Das gelang ihr.
Er lag halb nackt auf einem Fell vor dem Kamin. Rittlings auf ihm saß eine nackte Frau, eine üppig gebaute Walküre mit langen goldenen Locken, die ihr über den Rücken und die großen Brüste fielen. Sie beugte sich tief über ihn und sagte mit einer atemlosen Kleinmädchenstimme: „Oh Rupert, Rupert, ich liebe dich so sehr, mein liebster Rupert, ich bin so glücklich, glücklich, glücklich, mein geliebter Rupertschatz.“ Sie sprach Zindarisch, aber Callie hatte keine Mühe, die Nachahmung ihres eigenen englischen Akzents zu erkennen - oder wen die Frau da so grausam imitierte.
Sie.
Sie stand wie erstarrt und war nicht fähig, sich zu bewegen, während die Frau immer weiter in dieser grässlichen nachäffenden Babystimme sprach. Callie hatte ihn niemals „Rupertschatz“ genannt, schon gar nicht mit so kindlicher Stimme. Der Rest jedoch - der Akzent, die Worte, die Gefühle dahinter - stimmte, auf eine schreckliche, beschämende Art. Solche Worte hatte sie Rupert gegenüber benutzt, allerdings ausnahmslos, wenn sie miteinander allein gewesen waren.
Diese Frau konnte das nur wissen, wenn Rupert mit ihr darüber gesprochen hatte. Callie wäre vor Scham und Schmerz am liebsten im Boden versunken.
Je mehr die Frau sie nachahmte, desto mehr lachte Rupert, ein tief aus der Brust kommendes Lachen, wie Callie es noch nie von ihm gehört hatte. Schließlich befahl er der Frau jedoch aufzuhören, er hätte genug von diesem albernen Gesäusel zu Hause, und er sei schließlich hergekommen, um das alles einmal vergessen zu können. Er wollte eine richtige Frau, kein langweiliges, in ihn vernarrtes Kind.
Dem langweiligen, in ihn vernarrten Kind gelang es, durch ein Räuspern ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie machten nicht einmal Anstalten, sich zu
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