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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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klar?«
    Deborah schüttelte den Kopf. »Tun Sie ihr nicht weh«, wiederholte sie.
    »Wir reden darüber, ja?«, sagte Alana. »Kommen Sie an Bord.«
    Deborah sah zu ihr hoch und erblickte nur ein munteres Reptil. Sie senkte den Kopf und stapfte das Fallreep hoch, und einen Moment später griffen zwei der Schrotflinten tragenden Lakaien nach ihr, rissen ihr die Arme auf den Rücken und fesselten sie mit Paketband. Eine fiese kleine Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte, dass ihr damit nur recht geschähe, da sie vor sehr kurzer Zeit einfach zugesehen hatte, als man mir dasselbe antat. Doch gütigere Stimmen übertönten sie, und ich machte mich daran, Pläne zur Befreiung meiner Schwester zu schmieden.
    Daran hatte Alana selbstverständlich nicht das geringste Interesse. Sie wartete einen Moment, blickte in den Park, hob dann die Hände wie einen Schalltrichter an den Mund und brüllte: »Ich bin sicher, dass Ihr charmanter Gefährte noch irgendwo dort draußen ist!« Sie sah Deborah an, die mit gesenktem Kopf vor ihr stand und nicht reagierte. »Wir haben ihn beim Karussell gesehen, Liebste. Wo steckt der Lümmel?« Deborah rührte sich nicht. Alana wartete noch einen Moment, einen Ausdruck freudiger Erwartung im Gesicht, dann rief sie laut: »Genieren Sie sich nicht! Ohne Sie können wir nicht anfangen!«
    Ich verharrte auf der Stelle, reglos inmitten der Dornen.
    »Nun denn«, rief sie fröhlich. Sie drehte sich um und streckte die Hand aus, und einer der Lakaien reichte ihr eine Schrotflinte.
    Einen Moment lang wurde ich von Furcht fast zerrissen, und sie war schlimmer als die Dornen. Falls sie drohte, Debs zu erschießen … Aber sie würde sie sowieso umbringen … Warum sollte ich zulassen, dass sie auch mich tötete? Aber ich durfte nicht zulassen, dass sie Debs verletzte …
    Unbewusst hob ich die Pistole. Es war eine sehr gute Pistole, extrem präzise, und aus dieser Entfernung hatte ich eine zwanzigprozentige Chance, Alana zu treffen. Die Chancen, Debs zu treffen, standen ebenso gut – oder Samantha, und bei diesem Gedanken hob sich die Pistole wie von selbst.
    In einer gerechten Welt wäre das natürlich nicht passiert, aber sie ist nun einmal, wie sie ist. Wegen der raschen Bewegung spiegelte sich offensichtlich das Licht einer der wenigen Lampen im Park, die noch funktionierten, im Metall, und das Schimmern reichte, um Alanas Aufmerksamkeit zu erregen. Sie lud die Flinte durch, wobei sie keinen Zweifel daran ließ, dass sie wusste, wie man damit umging, setzte sie an die Schulter, den Lauf direkt auf mich gerichtet, und feuerte.
    Mir blieb nur eine Sekunde, und ich schaffte es gerade noch, mich hinter die nächste Palme zu werfen. Doch selbst hier spürte ich den Luftzug der Kugeln, die sich an der Stelle ins Blattwerk bohrten, an der ich soeben gekauert hatte.
    »Der wird besser!«, rief Alana, und erneut hallte ein Schuss. Ein Teil meines schützenden Baumstamms verschwand. »Kuckuck!«
    Eben noch hatte ich mich nicht entscheiden können, ob ich meine Schwester im Stich lassen oder selbst den Kopf in die Schlinge stecken sollte. Plötzlich fiel mir diese Entscheidung viel leichter. Falls Alana fortfuhr, die Bäume einen nach dem anderen wegzuballern, sah meine Zukunft so oder so düster aus, und da die unmittelbare Gefahr in einem Schuss bestand, schien es eine wesentlich bessere Idee, aufzugeben und mich darauf zu verlassen, dass mein überlegener Verstand eine Möglichkeit zur Flucht entdeckte. Abgesehen davon lief irgendwo da draußen Chutsky mit seinem Sturmgewehr herum, und er war mehr als ein ebenbürtiger Gegner für diese Amateure mit Schrotflinten.
    Alles in allem keine großartige Wahl, aber was blieb mir? Deshalb erhob ich mich, blieb hinter dem Baum stehen und rief: »Nicht schießen!«
    »Und das Fleisch verderben?«, antwortete Alana. »Nicht doch. Zeigen Sie uns Ihr hübsches Gesicht, die Hände bitte hoch erhoben.« Sie wedelte mit der Schrotflinte, für den Fall, dass ich ein bisschen begriffsstutzig war.
    Wie bereits bemerkt, Freiheit ist eine Illusion. Jedes Mal, wenn wir glauben, wir hätten die Wahl, haben wir einfach die auf unseren Nabel zielende Schrotflinte übersehen.
    Ich legte meine Pistole hin, hob die Hände, so hoch mir meine Selbstachtung gestattete, und trat hinter dem Baum hervor.
    »Allerliebst!«, rief Alana. »Und jetzt über den Fluss und durch die Wälder, kleines Ferkel.«
    Das traf mich dann doch ein wenig; ich meine, als »Ferkel« tituliert zu werden,

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