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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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beobachtete Cody und Astor, die sich bei ihrem teuren neuen Spiel abwechselten. Irgendwie brachte ich trotz ihres Vergnügens keine echte Begeisterung auf. Sie wechselten zu einem anderen Spiel, bei dem es darum ging, Dinge mit einem Schwert statt eines Gewehrs zu töten, doch selbst die Verwendung einer Klinge entfachte kein Feuer in meiner Brust. Und selbstverständlich waren sie so durch und durch glücklich, dass nur ein wahrer Griesgram hätte protestieren können – was im Wesentlichen bedeutete, dass ich jetzt »Griesgram« zu meiner Beschreibung hinzufügen durfte.
Dexter Morgan,
BS
. Blutspurenanalytiker, bekehrter Schlächter; zurzeit beschäftigt als Spaßbremse.
Ich wünschte fast, Deborah wäre hier – hauptsächlich, weil Brian dann aufbrechen würde, aber wichtiger noch, damit ich sagen könnte: »Schau dir an, wonach du dich sehnst! Kinder, Familie – ha!« Und dann würde ich bitter auflachen, um die Tücken des Familienlebens zu unterstreichen.
    Astor kreischte laut und schrill »Oooohhhhh«, und Cody sprang auf, um das Plastikteil zu übernehmen. Mir wurde klar, dass niemanden interessierte, was ich tat. Sie würden mich niemals wahrhaft zu schätzen wissen oder begreifen, was ich zu bieten hatte. Sie waren weit mehr als wankelmütig – sie waren gefühllos, wie Kätzchen, räuberische kleine Dinger, abgelenkt vom ersten Stückchen Schnur oder einer schimmernden Weihnachtskugel, die über den Boden rollte, und nichts, was ich jemals sagen oder tun konnte, würde auch nur die kleinste Bresche in ihre sture Ignoranz schlagen.
    Und dann wuchsen sie heran – zu was? Zu mörderischen Raubtieren mit toten Augen wie Brian und ich, allzeit bereit, einander hinterrücks abzustechen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Welchen Sinn hatte das? Sie würden durch ihre Kindheit scheppern, eine Spur der Verwüstung hinter sich lassend, und waren sie alt genug, um zu begreifen, was ich ihnen zu sagen hatte, würden sie zu alt sein, um sich zu ändern. Es reichte, um meine neu erworbene Menschlichkeit zu widerrufen, einfach hinaus in den flüssigen Mondschein zu gleiten und jemanden zu suchen, den ich auseinandernehmen konnte – ohne Finesse, ohne sorgsame Auswahl, einfach ein plötzliches, erfrischendes Blutbad und Erleichterung, ganz genauso, wie Brian es tat.
    Ich betrachtete meinen Bruder – auf meinem Sofa, mit meiner Frau, der meine Kinder glücklicher machte, als ich es offenbar vermochte. War es das, was er beabsichtigte? Ich zu werden, aber ein besseres Ich, als ich es je geschafft hatte zu sein?
    Bei dieser Vorstellung stieg etwas in mir auf, etwas zwischen Galle und Wut, und ich nahm mir vor, ihn heute Abend noch zur Rede zu stellen, in Erfahrung zu bringen, was er da eigentlich zu tun glaubte, und ihn daran zu hindern. Und falls er nicht auf mich hörte – tja, es gab immer noch Deborah.
    So saß ich eine weitere halbe Stunde voller Drachen und magischer Fäuste und glücklichen Kreischens mürrisch da, ein höfliches und komplett verlogenes Halblächeln ins Gesicht geklebt. Selbst Lily Anne schien zufrieden, was mir wie der ultimative Verrat erschien. Sie blinzelte und wedelte mit den Fäustchen in der Luft, als Astor kreischte, und dann kuschelte sie sich wieder an Ritas Brust. Diese Begeisterung übertraf alles, was sie jemals für etwas gezeigt hatte, vom Stillen einmal abgesehen. Doch schließlich, als ich schon glaubte, meine künstliche Gelassenheit keine Sekunde länger aufrechterhalten zu können, räusperte ich mich und fragte: »Rita? Hast du was zum Abendessen geplant?«
    »Was?«, entgegnete sie, ohne mich anzusehen, noch immer vollkommen versunken in das Spiel. »Hast du … Oh, Cody! Entschuldige, Dexter, was hast du gesagt?«
    »Ich sagte«, jedes einzelne Wort betonend, »hast du etwas zum Abendessen geplant?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte sie, den Blick noch immer auf den Bildschirm geheftet. »Ich muss nur … Oh!«, unterbrach sie sich erschrocken, und dieses Mal nicht wegen des Spiels, sondern weil sie aufgeschaut und die Uhr gesehen hatte. »Oh Gott, es ist schon nach acht! Ich hab nicht mal … Astor, du deckst den Tisch! Oh Gott, und morgen ist Schule.«
    Ich sah mit einiger Befriedigung, wie Rita vom Sofa aufsprang, mir Lily Anne in die Arme drückte und immer weiterredend in die Küche lief. »Um Himmels will… Oh, ich weiß, dass es angebrannt ist, was habe ich nur … Cody, hol das Besteck raus! Ich habe noch nie … Astor, vergiss nicht, auch

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