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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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fragte Astor. »Du stehst im Weg.«
    »Wir müssen reden.«
    »Wir müssen Dragon Blade spielen«, motzte Cody, und sein Ton gefiel mir ganz und gar nicht. Ich sah ihn an, dann Astor, und die beiden starrten voll selbstgerechtem, arrogantem Zorn zurück, und das war zu viel für mich. Ich bückte mich zum Schaltkasten der Wii und zog den Stecker aus der Dose.
    »He!«, rief Astor. »Du hast das Spiel gelöscht. Jetzt müssen wir wieder ganz von vorn anfangen!«
    »Das Spiel wandert in den Müll«, herrschte ich sie an, worauf ihnen simultan die Kinnladen herunterfielen.
    »Unfair«, murrte Cody.
    »Das hat mit fair überhaupt nichts zu tun«, sagte ich. »Es geht darum, was richtig ist.«
    »Das ergibt doch gar keinen Sinn«, maulte Astor. »Wenn es richtig ist, ist es fair, und du hast gesagt …« Sie wollte fortfahren, aber dann sah sie mein Gesicht und hielt inne. »Was?«, sagte sie.
    »Ihr mögt kein chinesisches Essen«, sagte ich streng. Zwei kleine ausdruckslose Gesichter blickten zu mir hoch und dann einander an, und ich hörte das Echo meiner Worte. Nicht mal ich verstand, was ich damit sagen wollte. »Ich meine Folgendes«, sagte ich, und ihre Blicke schwenkten wieder zu mir. »Als ihr mit Brian unterwegs wart. Meinem Bruder. Onkel Brian.«
    »Wir wissen, wen du meinst«, sagte Astor.
    »Ihr habt eurer Mutter erzählt, ihr wärt beim Chinesen gewesen«, fuhr ich fort. »Das war eine Lüge.«
    Cody schüttelte den Kopf, und Astor verbesserte: »
Er
hat ihr das erzählt. Wir hätten Pizza gesagt.«
    »Und das wäre ebenfalls eine Lüge gewesen«, stellte ich fest.
    »Aber Dexter, du hast es doch selbst gesagt«, antwortete sie, und Cody nickte. »Mom darf nichts davon erfahren, du weißt schon. Von diesem anderen Kram. Deshalb
müssen
wir sie anlügen.«
    »Nein, müsst ihr nicht«, widersprach ich. »Ihr müsst es einfach lassen.«
    Ich sah, wie sich Erstaunen auf ihren Mienen abzeichnete. Cody schüttelte verwirrt den Kopf, und Astor plärrte: »Aber das ist nicht … Ich meine, du kannst doch nicht … Wie meinst du das?« Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben klang sie exakt wie ihre Mutter.
    Ich setzte mich zwischen sie aufs Sofa. »Was habt ihr an dem Abend zusammen mit Onkel Brian unternommen?«, fragte ich. »Als ihr behauptet habt, ihr wärt beim Chinesen gewesen.«
    Sie wechselten einen Blick, ein lautloses Gespräch nahm seinen Lauf. Schließlich sah Cody mich wieder an. »Streuner«, erklärte er.
    Ich nickte, während Zorn in mir aufwallte. Brian hatte sie mitgenommen und einen streunenden Hund für sie aufgelesen, mit dem sie üben und experimentieren konnten. Ich hatte natürlich geahnt, dass es etwas in der Art gewesen sein musste, aber die Bestätigung, die ich jetzt erhielt, nährte meine moralische Empörung – über meinen Bruder und meine Kinder.
    Doch seltsam genug, während ich mich zu den erhabenen Höhen selbstgerechter Entrüstung aufschwang, flüsterte eine dünne, bösartige Stimme, dass ich es hätte sein sollen, der das mit ihnen tat. Meine Hand hätte es sein sollen, die ihnen half, das Messer zu führen, meine weise, geduldige Stimme, die sie anleitete und lehrte, wie man die Beute fing und sezierte und wie man aufräumte, wenn die Spielstunde vorüber war.
    Doch das war absurd; ich war hier, um sie aus der Dunkelheit zu führen, nicht um sie zu lehren, wie man sich an ihr erfreute. Ich schüttelte den Kopf und machte dem gesunden Menschenverstand Platz. »Was ihr getan habt, war falsch«, dozierte ich, und erneut sahen mich beide verständnislos an.
    »Wie meinst du das?«, fragte Astor.
    »Ich meine, dass ihr aufhören müsst …«
    »Ach, Dexter.« Rita stürmte herein, während sie die Hände noch mit einem Trockentuch abwischte. »Sie dürfen jetzt wirklich nicht mehr spielen, morgen ist Schule. Herrje, schau nur, wie spät es ist, und ihr habt noch nicht mal … Kommt, ihr zwei, ab ins Bett.« Sie scheuchte sie auf und aus dem Zimmer, ehe ich auch nur zwinkern konnte. Cody drehte sich noch einmal zu mir um, ehe seine Mutter ihn in den Flur schob, und seine Miene war ein Durcheinander aus Verwirrung, Schmerz und Ärger.
    Während die drei im Badezimmer herumklapperten und die Geräusche von laufendem Wasser und Zähneputzen zu mir drangen, knirschte ich vor Frustration mit den Zähnen. Absolut nichts lief richtig. Ich hatte versucht, meine kleine Familie zueinander zu führen, und meinen Bruder vorgefunden. Als ich versuchte, ihn zur Rede zu stellen, war er

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