Dexter
das ferne Röhren eines verborgenen Ungeheuers, doch dann sagte Deborah: »Befehlen Sie diesem Arschloch, seine Pfoten wegzunehmen. Ich bin Polizistin!« Und der Bann war gebrochen. Kukarov riss sich von mir los und wandte sich Debs zu.
»Sie haben nicht das geringste Recht, hier zu sein«, zischte er und brüllte dann los, vermutlich, um Eindruck zu schinden. »Das hier ist ein Privatclub, und Sie sind nicht eingeladen.«
Deborah war ebenso laut und noch giftiger. »Ich habe Grund zu der Annahme, dass in diesen Räumlichkeiten ein Verbrechen …«, setzte sie an, aber Kukarov ließ sie nicht ausreden.
»Haben Sie einen hinreichenden Anfangsverdacht?«, knurrte er. »Sie haben keinen hinreichenden Anfangsverdacht!«
Deborah biss sich auf die Lippe.
»Meine Anwälte werden Hackfleisch aus Ihnen machen!«
Der weiße Angeber fand das ziemlich lustig, aber Kukarov funkelte ihn kurz an, worauf dieser sich das Feixen aus dem Gesicht wischte und sein Geradeausstarren wieder aufnahm. »Und jetzt scheren Sie sich verdammt noch mal aus meinem Club!«, blaffte er und wies zur Tür. Die beiden Muskelmänner traten vor, packten Deborah und mich an den Ellbogen und schleiften uns durch den kurzen Gang. Lurch öffnete die Tür, und sie warfen uns auf den Bürgersteig. Es gelang uns gerade noch, nicht auf den Kopf zu fallen.
»Betreten Sie den Club nie wieder!«, brüllte Kukarov, und als ich mich umdrehte, konnte ich Lurchs strahlendes Lächeln sehen, ehe er die Tür zuschlug.
»Tja«, meinte meine Schwester. »Sieht so aus, als hättest du dich geirrt.« Sie sprach so gelassen, dass ich sie mit aufrichtiger Sorge musterte, weil ich annahm, sie müsste sich in dem Tumult doch irgendwie den Kopf gestoßen haben – denn ihre Autorität als Polizistin und sich nicht herumschubsen zu lassen, waren die beiden Dinge, auf die sie den allergrößten Wert legte, und beides war soeben ignoriert worden. Und doch stand sie hier auf dem Bürgersteig und klopfte sich ab, als wäre nichts geschehen. Ich war so verblüfft, dass ich einen Moment lang nicht begriff, was sie zu mir gesagt hatte. Und als ich es begriff, verstand ich sie trotzdem nicht.
»Geirrt?«, wiederholte ich mit dem Gefühl, im falschen Film zu sitzen. »Was meinst du damit?«
»Wen wirft man aus einer Falle?«
Ich brauchte eine Sekunde, ehe mir klarwurde, was sie damit meinte, und inzwischen redete sie schon weiter. »Zu welcher Art von falscher Fährte gehören zwei Türsteher, die uns nach zwei Minuten auf die Straße setzen?«
»Tja.«
»Verdammt, Dexter!«, zischte sie. »Da drin läuft irgendwas!«
»Eigentlich sogar eine ganze Menge«, gab ich zu, und sie schlug nach meinem Arm. Es war schön zu sehen, dass ihr alter Kampfgeist erwachte, aber andererseits tat es wirklich weh.
»Das ist mein Ernst!«, fauchte sie. »Entweder hat jemand Mist gebaut, und dieser Chip ist zufällig in den Beutel gerutscht – eine alberne Annahme –, oder …« Sie hielt inne, und ich begriff. Es gab definitiv ein »oder« – aber was steckte dahinter? Ich wartete höflich, dass sie es aussprach, doch als sie es nicht tat, beendete ich den Satz für sie.
»Oder jemand, der etwas weiß, möchte, dass wir einmal nachschauen, ohne dass ein anderer davon erfährt.«
»Genau.« Deborah drehte sich um und warf einen wütenden Blick auf die schimmernde schwarze Tür. Die Tür zuckte nicht einmal. »Was bedeutet«, fügte sie nachdenklich hinzu, »dass du noch einmal da reinmusst.«
Ich öffnete den Mund, doch kam nur Luft heraus, und nach einem Moment musste ich annehmen, dass ich sie nicht richtig verstanden hatte. »Wie bitte?«, fragte ich, und meine Stimme klang zugegebenermaßen ein wenig hoch.
Debs packte mich an beiden Armen und schüttelte mich. »Du wirst noch einmal zurück in den Club gehen und herausfinden, was sich dort verbirgt.«
Ich entwand meine Arme ihrem harten Griff. »Debs, die beiden Muskeltypen werden mich umbringen. Um ganz ehrlich zu sein, reicht vermutlich auch einer.«
»Und darum gehst du auch erst später«, erwiderte sie in einem Ton, als würde sie mir einen vernünftigen Vorschlag machen. »Nachdem der Club geschlossen hat.«
»Oh, gut. Dann ist es wenigstens kein Hausfriedensbruch, wegen dem man mich nur zusammenschlägt. Nein, ich breche ein, dann können sie mich erschießen. Tolle Idee, Deborah.«
»Dexter«, sagte sie und musterte mich mit einer Intensität, die ich bei ihr ziemlich lange nicht mehr erlebt hatte. »Samantha Aldovar
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