Dexter
ist da drin. Ich
weiß
es.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Doch. Ich spüre es. Verdammt, glaubst du, du wärst der Einzige mit einer inneren Stimme? Samantha Aldovar ist dort drin, und ihre Zeit läuft ab. Wenn wir jetzt aufgeben, werden sie sie umbringen und fressen. Und falls wir den offiziellen Weg einhalten und mit einem SEK und allem Drum und Dran reingehen, lässt man sie verschwinden und bringt sie um. Ich
weiß
es. Sie ist in diesem Moment da drin, Dex. Ich kann es fühlen; ich bin mir noch nie so sicher gewesen.«
Das schien ja alles recht triftig zu sein, aber abgesehen von ein oder zwei kleineren Mängeln in ihrer Argumentation – wie konnte sie
wissen?
–, hatte die Angelegenheit einen riesigen Haken. »Debs«, sagte ich. »Wenn du dir so sicher bist – warum machst du es dann nicht richtig und besorgst dir einen Durchsuchungsbefehl? Warum ich?«
»Den Durchsuchungsbefehl kriege ich nicht rechtzeitig. Es gibt keinen hinreichenden Tatverdacht«, antwortete sie, und ich war froh, das zu hören, weil es bedeutete, dass sie nicht komplett durchgedreht war. »Dir kann ich vertrauen«, fügte sie hinzu. Sie klopfte mir gegen die Brust, und ich spürte etwas Feuchtes. Ich sah an mir hinunter und entdeckte einen großen, braunen Fleck auf meiner Hemdbrust. Mir fiel das Mädchen wieder ein, das auf der Tanzfläche ihr Getränk über mich verschüttet hatte.
»Sieh mal«, sagte ich und zeigte auf den Fleck. »Das ist dasselbe Zeug wie das, was wir in den Everglades gefunden haben – Salvia und Ecstasy.« Und nur um ihr zu beweisen, dass man das auch zu zweit spielen konnte, fuhr ich fort: »Ich
weiß,
dass es dasselbe Zeug ist. Und es ist illegal – diese Probe liefert dir deinen hinreichenden Tatverdacht, Debs.«
Doch sie schüttelte bereits den Kopf. »Illegal erworben … Und bis wir endlich einen Richter überzeugen können, wird es zu spät für Samantha sein. Das ist die einzige Möglichkeit, Dexter.«
»Dann geh doch selbst.«
»Ich kann nicht. Ich würde meinen Job verlieren, wenn man mich erwischt, vielleicht müsste ich sogar ins Gefängnis. Du kriegst nur eine Geldstrafe – und die übernehme ich.«
»Nein, Debs. Das mach ich nicht.«
»Du musst, Dex.«
»Nein«, erwiderte ich. »Ganz bestimmt nicht.«
[home]
26
U nd so geschah es, dass ich mich ein paar Stunden später in Deborahs Auto wiederfand, aus dem ich den Eingang des Clubs
Fang
beobachtete.
Zunächst gab es nicht viel zu sehen. Hin und wieder tröpfelten Grüppchen heraus und wanderten entweder die Straße hinunter oder stiegen in ein Auto und fuhren davon. Niemand bemerkte uns, denn Deborah hatte das Auto im Schatten eines Lieferwagens geparkt, der mit der Schnauze voran auf dem Bürgersteig stand. Sie sagte nicht viel, und ich war noch immer zu verärgert für müßiges Geplauder.
Es war Deborahs Fall, es war Deborahs Gefühl, und doch saß
ich
hier und sollte die Drecksarbeit übernehmen. Ich war nicht einmal ihrer Meinung, dass diese getan werden musste, doch einfach, weil ich ihr Bruder war – zwar nur adoptiert, aber immerhin –, sollte ich das erledigen. Ich erwarte keine Gerechtigkeit, ich bin schließlich nicht dumm. Aber sollten Handlungen nicht zumindest sinnvoll sein? Ich arbeite schon mein ganzes Leben hart daran, mich anzupassen, die Regeln zu befolgen und ein guter Kamerad zu sein – und mit welchem Ergebnis? Jedes Mal, wenn die Zigarre explodiert, explodiert sie in meinem Gesicht.
Doch hatte es keinen Zweck, länger zu streiten. Falls ich mich weigerte, in den Club einzubrechen, würde Deborah es tun, und wie sie so richtig bemerkt hatte: Als vereidigter Hüterin des Gesetzes drohte ihr Gefängnis, wenn man sie erwischte, während ich vermutlich nur ein paar Sozialstunden ableisten musste, wie Müllsammeln im Park oder Straßenkinder das Stricken lehren. Außerdem lag Deborahs Aufenthalt in der Intensivstation nach ihrer schweren Messerverletzung noch nicht lange zurück, weshalb ich sie keinerlei Risiko aussetzen wollte – wovon sie meiner Überzeugung nach ausging. Also musste Dexter durchs Fenster einsteigen, Ende der Durchsage.
Kurz vor Anbruch der Dämmerung erlosch das Schild über dem Eingang des Clubs, und eine Menge Leute traten gleichzeitig heraus, dann passierte eine halbe Stunde lang gar nichts. Über dem Meer wurde es heller, und irgendwo begann ein Vogel zu zwitschern, was bewies, wie wenig er vom Leben wusste. Der erste Jogger trabte über den Ocean Drive, und ein
Weitere Kostenlose Bücher