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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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anderen Straßenseite stehen, schloss die Augen, stützte mich gegen einen Telefonmast und dachte:
Hallo? Jemand zu Hause?
Es war zwar jemand da, aber offensichtlich wünschte man keinen Besuch zu empfangen: Ich spürte ein gemächliches, seidenes Rascheln von Schwingen, als würde er einfach die Beine übereinanderschlagen und darauf warten, dass etwas Spannendes passierte.
Komm schon,
dachte ich. Immer noch nichts.
    Ich schlug die Augen auf. Ein Lastwagen fuhr vorüber, laute Salsamusik dröhnte durch die heruntergekurbelten Scheiben. Aber das war die einzige Musik, die ich vernahm. Anscheinend musste ich die Sache allein in Angriff nehmen.
    Nun gut: Wenn es hart auf hart kommt und so weiter. Ich schob die Hände in die Taschen und schlenderte um das Gebäude, als würde ich mich treiben lassen und die Gegend bestaunen. Holla, schau mal, diese Palmen. So was haben wir in Iowa aber nicht. Toll.
    Ich spazierte einmal herum und bewunderte es, als hätte ich nichts anderes zu tun, als müßig zu flanieren. Soweit ich erkennen konnte, zeigte sich niemand sonderlich beeindruckt von meiner wunderbaren Aufführung der Unschuld vom Lande, aber Gründlichkeit zahlt sich immer aus, weshalb ich weitere fünf Minuten den Touristen gab. Das Gebäude nahm den kompletten Block ein, und ich lief an allen vier Seiten entlang. Die verwundbare Stelle war deutlich zu erkennen: In der kurzen, schmalen Gasse auf der anderen Seite des Clubs stand ein Müllcontainer – neben einer Tür, die eindeutig zur Küche des Clubs führte. Der Zugang war nur zu sehen, wenn man an der Einmündung stand.
    Ich zog die Hand aus der Tasche, wobei »zufällig« ein paar Münzen hinausfielen. Ich bückte mich, um sie aufzuheben, und sah mich unauffällig um. Falls niemand mit einem Fernglas auf dem Dach stand, wurde ich nicht beobachtet. Ich ließ siebenunddreißig Cent auf dem Bürgersteig zurück und glitt rasch in die Gasse.
    Dort war es wesentlich dunkler, aber auch das ermunterte den Passagier nicht zu einem Gespräch, weshalb ich allein zum Müllcontainer hastete. Rasch gelangte ich zur Hintertür, die ich gründlich untersuchte. Sie war mit zwei Bolzenschlössern verriegelt, äußerst entmutigend. Mit ein wenig Zeit und meinem eigenen kleinen Werkzeugsatz hätte ich sie leicht öffnen können, aber mir fehlte sowohl das eine wie das andere, und die Brechstange reichte einfach nicht: Die Tür brachte mich nicht weiter. Ich würde mir einen anderen, weniger vornehmen Eingang suchen müssen.
    Ich sah am Gebäude empor: Dort verlief eine Fensterreihe, eins alle anderthalb Meter, die bis zur Straße reichte. Das zweite von links war vom Container aus leicht zu erreichen, und eine sportliche Person würde sich ohne große Schwierigkeiten hinaufziehen und einsteigen können. Kein Problem: Dexter ist sehr beweglich, und wenn es mir gelang, die Scheibe hochzuschieben, wäre ich drin.
    Einer der beiden Containerdeckel war aufgeklappt. Ich stemmte beide Hände auf den geschlossenen – und etwas schoss mit einem grauenhaften Kreischen aus der Öffnung und flog an meinem Ohr vorbei. Vor schierer Panik war ich absolut paralysiert, bis ich feststellte, dass es sich um eine Katze handelte. Sie war räudig, verfilzt und abgemagert, doch trotzdem spulte sie das volle Halloweenprogramm ab, machte einen Buckel und fauchte mich an, als sie ein paar Schritte entfernt auf dem Boden landete. Ich starrte zurück, und einen Moment glaubte ich, erneut Musik aus dem Club zu hören, bis mir klarwurde, dass es nur mein Herzschlag war. Die Katze drehte sich um und stolzierte aus der Gasse, ich lehnte mich an den Müllcontainer und atmete tief durch, und der Passagier rührte sich gerade genug, um mich mit einem Geschieht-dir-recht-Kichern zu beglücken.
    Ich gönnte mir einen Augenblick, um mich zu erholen, dann sah ich nur zur Sicherheit ins Innere des Containers. Außer Müll schien sich nichts darin zu befinden, was ich als sehr positive Entwicklung begrüßte. Ich zog mich auf die geschlossene Seite, und mit einem prüfenden Blick zur Einmündung der Gasse, ob mich jemand beobachtete, richtete ich mich auf und streckte mich nach dem Fenster. Ich stupste dagegen, und es klapperte leicht. Das war erfreulich, weil das bedeutete, dass es weder zugenagelt noch von im Lauf der Jahre nachlässig aufgetragenen Farbschichten verklebt worden war.
    Den oberen Teil des Fensters konnte ich nicht überprüfen, aber in meiner Sichtweite wies nichts am Rahmen auf eine Alarmanlage hin,

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