Dezembergeheimnis
Oder war seine Angst genau deshalb so stark? Egal, sie würde ihm schon beweisen, dass Sternenschau das Letzte war, von dem man sich einschüchtern lassen musste.
Die andere Hälfte grübelte sie über den vergangenen Tag und welche Erkenntnisse sie daraus mitnehmen konnte und wollte. Und dass sie es wirklich gar nicht mochte, so weit weg von zu Hause und Noel zu sein. Er klang übers Telefon einfach nicht wie er selbst … Eigentlich beinahe so, als hätte er noch viel mehr auf dem Herzen, was er ihr gar nicht erst mitteilte. Er war so weit weg und sie hasste das. Sie wollte ihm ins Gesicht sehen können, um zu wissen, dass auch wirklich alles gut war. Und vor allem wollte sie ihn einfach überhaupt wieder sehen. Ihn anfassen. Und all das.
Das Ende dieser Schleife war, wie sie sich selbst ermahnte, sich mehr mit dem Problemen vor Ort zu beschäftigen und Noel dafür weiter zu vertrauen, dass er sich äußern würde, sollte ihm eine besonders große und eklige Laus über die Leber gelaufen sein. Leider begann die Schleife danach wieder von vorn.
Freitag war neben Tag des Buchhandels auch Tag des grünen Zimmers. Dieser Raum war mit einem großen schwarzen Ledersofa ausgestattet, auf dem jedes Jahr ein anderer Moderator Größen aller Bereiche interviewte oder Gesprächsrunden mit ihnen führte. Lea war ob ihrer Schlaflosigkeit früh genug vor Ort, um sich einen guten Platz zu sichern, von dem sie sich, nicht mal begleitet von Frau Löwenberger, mindestens fünf Stunden nicht wegbewegte. Ihre Glieder waren so schwer, als hätte sie sich nach dem Duschen nicht mit Creme sondern Betonpaste eingeschmiert und auch die Augenlider konnte sie nur mit Mühe aufhalten und hätte am liebsten Streichhölzer oder Klebeband zu Hilfe genommen.
In den Pausen – und dazwischen auch – wanderten ihre Gedanken natürlich zu ihrem Kuchenmann. Es war Wunschtag und sie malte sich aus, was er sich wohl dieses Mal wünschen könnte, und danach, was sie sich wünschen würde, endete jedoch unkreativ bei Schlaf.
Kurz bevor sie gehen wollte, wurde sie doch noch von Edith Löwenberger gesichtet, die einen Mann im grauen Anzug und Alter ihres Vaters im Gepäck hatte.
»Herr Georg, das ist Lea Wegener, die mich diese Woche begleitet. Frau Wegener, ich möchte Ihnen gerne Edgar Georg vorstellen, Vorsitzender des Red Level Verlags.«
Red Level? Lea verschluckte sich fast an der eigenen Spucke und für einen kurzen Moment war sie wieder Herr ihrer Sinne. Herr Georg und sie schüttelten die Hände, er erkundigte sich kurz, ob ihr die Interviewpartner gefallen hätten, um danach über die Inkompetenz einer seiner Konkurrenten ausschweifend zu werden. Schlussendlich wurden zwar nicht viele Informationen ausgetauscht, aber im Gehen bedeutete ihr Frau Löwenberger, dass das der Kandidat war, an den sie sich am Wochenende halten musste. Alter Mann, das könnte zwar anstrengend werden, war aber gebongt.
Für ihren Geschmack kehrte Lea viel zu spät ins Hotelzimmer zurück und war sich erst nicht sicher, ob sie Noel noch anrufen konnte. Allerdings wollte sie dringend seine Stimme hören und sicher gehen, dass mit ihm alles in Ordnung war. Dieses Mal dauerte es etwas länger, bis er den Anruf entgegennahm und seine Stimme klang immer noch gestresst, als hätte er eigentlich unglaublich viel zu tun. Auf die Frage, ob er gerade beschäftigt sei, antwortete er jedoch, er würde nur auf dem Sofa liegen.
Sie erzählte ihm von ihrem Tag und er von seinem, aber so richtig wollte das Gespräch nicht ins Rollen kommen, als ob ein großer Schatten über ihnen hing. Wahrscheinlich machte Noel noch immer das Horoskop zu schaffen, aber so richtig traute sich Lea nicht, ihn danach zu fragen. Obwohl sie die letzten Tage immer telefoniert hatten, wirkte er seltsam distanziert. Sie seufzte innerlich. Die Telefonleitung konnte es vielleicht besser machen, brachte sie unterm Strich aber doch nicht wieder zusammen.
»Du, hör mal … kann es sein, dass du mir irgendwas verheimlichst?« Eine Sekunde der Stille. »Also nicht, dass ich glaube, dass du mich anlügst, nur dass dich vielleicht was beschäftigt, was du mir nicht sagen willst?«
»Lea«, sagte er leise. »Es ist Freitag.«
»Uhum«, murmelte Lea. War er beleidigt, weil er dachte, ihre Tradition würde diese Woche ausfallen? »Ich hab’s nicht vergessen. Und … was wünschst du dir? Soll ich dir etwas mitbringen? Oder willst du irgendwas Bestimmtes machen, wenn ich wieder da bin?«
»Nein
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