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Dezembergeheimnis

Dezembergeheimnis

Titel: Dezembergeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Richter
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… du sollst nach Hause kommen.«
    Sie schmunzelte, um die Stimmung zu lockern. »Mach ich doch.«
    »Aber nicht erst Sonntag. Bitte, Lea, komm nach Hause.«
    Da wurde ihr plötzlich klar, dass er es ernst meinte.
    »Das geht nicht, Noel   … «, murmelte sie. »Du musst dir was anderes wünschen.«
    »Das ist aber mein Wunsch. Es gibt nichts anderes, was ich will.«
    »Aber ich kann doch nicht weg   … Bitte, wünsch dir was anderes. Lass uns was Schönes unternehmen oder so. Ich weiß, dann ist nicht mehr Freitag, aber dann machen wir es eben Sonntagabend noch oder gleich Montagfrüh.«
    »Nein, Lea, du verstehst nicht. Montag ist zu spät.«
    »Gut, dann eben Sonntag.«
    »Nein, du musst
heute
wieder kommen! Heute.
Das
ist mein Wunsch.« Er klang flehend, beinahe gequält.
    »Heute, aber   … ich versteh’s nicht, was ist denn los? Ist irgendwas passiert? Warum ist es denn so dringend?« Warum klang er, als hätte er schlimme   … Eine plötzliche Erkenntnis zog ihr die Knie weg und sie musste sich setzen. »Hast du etwa wieder diese Schmerzen?«
    Ein paar Sekunden konnte sie nur sein Atmen durchs Telefon hören. Dann hauchte er: »Ja. Seit du weg bist, sind sie schlimmer als je zuvor.«
    »Warum in drei Teufels Namen hast du mir denn nichts gesagt?«
    »Ich wollte dir deine Woche nicht kaputt machen   … « Er klang so schwach, dass Lea der Atem stockte. Wie hatte sie das nicht schon die ganze Zeit in Erwägung ziehen können? »Bitte«, flehte er noch einmal. »Du musst zurückkommen.«
    »I-ich mache mich sofort auf den Weg. Halte durch!«

Kapitel 22
    Lea fror während der gesamten Zugfahrt. Sie hatte neben zwei Pullovern bereits die extra dicke Winterjacke ausgepackt, bei der sie sich ursprünglich selbst ausgelacht hatte, sie überhaupt mitzunehmen. Immer wieder pustete sie warme Luft in die Handschuhe und rieb die Hände aneinander, doch gegen die Klimaanlage schien sie nicht gewinnen zu können. Oder gegen den kalten Klumpen in ihrer Magengegend.
    Sie starrte auf das dunkle Display des Mobiltelefons, ehe sie es mit einem Seufzen wegsteckte. Sie wollte Noel wieder anrufen, aber nachdem sie Frau Löwenberger Bescheid gegeben hatte, hatte sich der Akku dem Nirwana ergeben. Zum Glück war die Fahrt, für die sie gerade noch ihr letztes Geld zusammenkratzen konnte, beinahe überstanden. Die letzten vier Stunden waren nervenzehrend gewesen. Wenn sie aus dem Fenster sah, konnte sie sich nicht mal einer ablenkenden Landschaft hingeben, sondern nur ihrem eigenen apathischen Selbst in die Augen gucken.
    Frau Löwenberger hatte nicht gerade begeistert reagiert, auch wenn sie die Begründung der familiären Notsituation schlecht ablehnen konnte. Man hätte noch so viel unter Dach und Fach bringen können an diesem Wochenende, immerhin würde das Treffen da erst seinen Höhepunkt erreichen, sie wisse nicht, ob ihre Chancen immer noch so hoch auf einen Branchenneueinstieg wären, wenn sie jetzt ginge. »Sie müssten wahrscheinlich mindestens bis nächstes Jahr warten, bis ich Sie wieder mitnehmen und Ihnen helfen kann«, hatte sie gesagt.
    Doch in Leas Ohren konnte nichts bedeutungsloser klingen als das. Verglichen mit Noels schmerzerstickter Stimme klang alles bedeutungslos. Es war nicht einmal eine Entscheidung gewesen, sich für immer vom Schreiben zu verabschieden, und sogar die hätte sie in der gleichen Windeseile getroffen. Was war ein Jahr warten gegen die Gewissheit, dass Noel nur wenige Stunden entfernt alleine litt?
    Die Zeit verging so langsam, als ob sie selbst im Begriff wäre, das Zeitliche zu segnen. Es gab Sekunden, da wäre sie am liebsten in ihre Armbanduhr gesprungen, um dem Zeiger einen beherzten Tritt zu geben. Es war Dauer genug, um in ihr die schlimmsten Befürchtungen zu wecken.
    Was zum Teufel waren das für Schmerzen? Und warum ausgerechnet dann, wenn sie nicht da war und ihm helfen konnte? Sie hätten schon viel früher zum Arzt gehen sollen, vielleicht zu Frau Peters, sie schien eine Menge zu wissen. Es musste eine Erklärung und damit ein Hilfsmittel geben, aber was?
    Sie grübelte fieberhaft. Noel bestand aus Teig, er besaß keine Organe, keine Knochen; er war kein Mensch. Kein Arzt der Welt würde ihn behandeln können, oder? Dazu traten die Schmerzen im ganzen Körper verteilt auf. Hatte sie den Teig falsch angerührt? War es ihre Schuld? Was sollte sie nun tun, wenn sie zu Hause ankam, wie konnte sie ihm helfen? Wadenwickel, Wärmekissen, Schmerztabletten   … Ihr normaler

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