Dezembergeheimnis
nicht. Vielleicht etwas lesen oder fernsehen?«
»Fernsehen?«
Lea musste lachen; also hatte sie ihn richtig eingeschätzt. »Ich zeig‘s dir.«
Er lächelte ebenfalls, betrachtete sie dabei aber eingehend. Seine Augen bohrten sich geradezu in ihre, was er jedoch nicht mal zu beabsichtigen schien. Er sah einfach nur nicht weg. Bevor es Lea zu viel wurde, brach sie den Blickkontakt ab und widmete sich wieder dem Kuchenteig.
Da sie schon immer eine Abneigung gegen elektrische Mixer gehabt hatte, verrührte sie ihn mit einem Schneebesen. Als wirklich keine Klumpen mehr in dem gelblichen Brei zu finden waren, wusch sie sich die Hände, drehte sich zu Noel um und erstarrte. Er stand direkt hinter ihr. Sie hatte nicht mal gehört, dass er seinen Platz verlassen hatte.
»Danke, das ist sehr nett von dir«, sagte er leise mit einem Seitenblick auf den Teig.
»Ähm, k-kein Problem«, stotterte Lea. Es trennten sie nur etwa zwanzig Zentimeter, wenig genug, um sie nervös werden zu lassen. Sie tastete hastig nach hinten, um ihm die Schüssel in die Hand und ihn damit zurück in seinen Sicherheitsabstand drücken zu können, und griff dabei voll in die klebrige Masse.
»Oh.« Ihr Kopf fuhr herum und mit der Schulter strich sie durch die Bewegung gegen seine Brust. Noel lachte und nahm ihre Hand aus der Schüssel.
»Mhm«, schmunzelte er amüsiert, wischte mit seinem Zeigefinger über ihre Handinnenfläche und leckte ihn mit einem schalkhaften Blitzen in den Augen ab. Lea gab hingegen ihre beste Salzsäulenimitation ab und dankte Gott, dass er das nicht direkt mit ihren Fingern getan hatte.
Doch Noel blieb artig, ließ wieder von ihr ab und trat einen Schritt beiseite, damit sie zum Waschbecken gelangte. Indessen angelte er sich die Schale, sah dann aber unsicher auf die einzelnen Schränke.
»Wo sind denn die Löffel?«
Lea trocknete sich die Hände an dem kleinen Küchentuch ab und sah ihn verwirrt an.
»Du hast dich nicht mal in der Wohnung umgesehen?«
»Es ist deine Wohnung, ich wollte nicht unhöflich sein.«
Leas Augen wurden groß, genauso wie ihr schlechtes Gewissen. Mit einem schwachen Lächeln öffnete sie die Besteckschublade und sagte leise: »Du darfst es aber.«
»Gut, danke«, erwiderte er zärtlich, griff an ihr vorbei und schloss die Schränke wieder. »Willst du nichts essen?«
Lea atmete tief durch, bevor sie eine Entscheidung traf.
»Ich mach mir schnell ein Sandwich. Geh doch schon mal ins Wohnzimmer, ich komme gleich nach. Ich glaube, wir müssen reden.«
Als sie wenige Minuten später mit einem Teller das Wohnzimmer betrat, saß Noel artig auf dem Sofa und löffelte seinen Teig. Das Bettzeug, das sie ihm gegeben hatte, lag wie seine Klamotten vorher gefaltet auf dem Sessel. Sie holte noch einmal tief Luft, nickte sich selbst zu und setzte sich an dasandere Ende der Couch.
»Also, Noel« Auch wenn sie das ganze Gespräch locker und luftig leicht starten wollte, klang bereits die Anrede, als würde sie ihm das Ende der Welt ankündigen. Noel setzte die Schüssel auf den Schoß und sah sie an.
»Wir machen jetzt mal Butter bei die Fische«, begann sie und sofort weiteten sich seine Augen, als hätte sie eine andere Sprache gesprochen. Ihn einfach ignorierend, fing sie mit ihrer ersten Frage an.
»Wo kommst du
wirklich
her?«
»Ich dachte, das hätten wir mittlerweile geklärt?« Er runzelte die Stirn.
»Vergiss das. Ich will jetzt die Wahrheit hören.«
»Aber das
ist
die Wahrheit.«
»Du willst mir allen Ernstes erzählen, dass du aus meinem Ofen gekrabbelt bist?«
»Na ja, ich weiß nicht, vielleicht nicht.« Er schob sich zögerlich einen Löffel Teig in den Mund.
»Vielleicht nicht? Wie sonst?«
»Keine Ahnung, ich weiß auch nicht, wie das funktioniert. Ich kann mich nicht mehr erinnern … Das erste, was ich weiß, ist, dass ich in deiner Küche auf den Boden gefallen bin.«
Lea biss von ihrem Sandwich ab und überlegte einen Moment. »Du könntest also auch ein Einbrecher sein, der sein Gedächtnis verloren hat?«
»Nein, definitiv nicht.« Noel schüttelte den Kopf.
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
Er schwieg einen Moment, bevor er antwortete. »Kannst du dich denn an deine Geburt erinnern?«
Sie blinzelte, ehe sie ebenfalls langsam den Kopf schüttelte.
»Und trotzdem weißt du, dass du ein Mensch bist?«
»Ja. Aber bist du denn auch einer?«
Er zuckte mit den Schultern und aß weiter von seinem Teig. Ihm schien das Thema gar nicht zu gefallen.
Aber
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