Dezembergeheimnis
hatte, wo Noel einmal der Enthusiasmus gepackt hatte. Sie konnte ihn gerade noch genug bremsen, um einen Einkaufswagen zu schnappen, bei dem er selbstredend darauf bestand, ihn zu schieben. Lea ließ ihn fröhlich machen, gab ihr das doch ausreichend Spielraum, zwischen den einzelnen Regalen und Gängen hin und her zu wuseln.
Jedoch war auch das ein Plan, der sich mit Noel an ihrer Seite so nicht ganz umsetzen ließ.
Viel zu sehr war er von all den Lichtern, Farben und Schildern überwältigt, die in ihrer Pracht zu dieser Jahreszeit natürlich noch einiges gewonnen hatten. Mit offenem Mund blieb er immer wieder stehen und obwohl sie dadurch eher im Schneckentempo vorankamen – ganz zu schweigen von den anderen Menschenmassen, die nach den Weihnachtsfeiertagen endlich ihre Kühlschränke wieder füllen wollten – beobachtete Lea ihn mit einem Lächeln.
Sie hielten etwa alle zwei Schritte und zu ihrer eigenen Überraschung nahm sie sich bei jeder Kleinigkeit die Zeit, ihm alles zu erklären. Zum Glück lernte er jedoch schnell.
Ihr erstes Ziel war selbstverständlich die Backabteilung. Leas Finger strichen wie immer über die kleinen Plastikreihen, an denen die Preise ausgewiesen waren, und hinterließen ein schleifendes Geräusch. Sie konnte es sich einfach nicht verkneifen. Als sie der Einkaufswagen leicht in den Po stupste und sie sich umdrehte, hielt Noel hinter ihr inne, einen Arm am Wagen, einen Finger an dem Plastikstreifen. Lea lächelte, doch konnte sich nicht dazu bringen, ihn davon abhalten zu wollen, und griff deswegen stattdessen nach dem Ende des Wagens, sodass sie ihn zu zweit lenkten.
»So … «, murmelte sie, als sie vor dem richtigen Regal zum Stehen kamen. »Was könnte dir denn noch schmecken?«
»Ich weiß es nicht. Noch nicht.« Mit der Hand fuhr er sich über den Nacken. Lea nickte nur, denn mit dieser Antwort hatte sie ohnehin gerechnet. Doch sie würde ihm schon auf die Sprünge helfen, sein Lieblingsrezept zu finden. Mit einem Seufzen, gepaart mit einem Schulterzucken, kam die von-allem-was-Technik wieder zu Tage und schon nach dem ersten Gang war der Boden des Wagens voll. Gut, dass ihr Weihnachtsgeld noch unberührt war. Gewesen war.
»Aber, Lea, ist das nicht zu teuer?«, flüsterte Noel, während sie in Zugformatierung zum nächsten Gang liefen.
»Ich kann dich ja schlecht verhungern lassen.«
»Aber … «, begann er und hielt so abrupt an, dass sie sich umdrehte.
»Das hier zum Beispiel«, sagte er eindringlich und hielt ihr eine Packung mit Zuckerschrift entgegen. »Das gab es auch noch billiger.«
»Du kannst doch gar nicht einschätzen, was billig und was teuer ist«, konterte Lea mit hochgezogener Augenbraue.
»Aber ich kann lesen und zählen – und das hier ist zwei Euro teurer als das andere!«
»Dafür ist die Qualität schlechter«, wehrte sie ab, schnappte ihm die Packung aus der Hand und feuerte sie zurück in den Korb. »Oh, die Marmelade hier ist unglaublich lecker!«, wechselte sie das Thema und zog ein Glas mit der Aufschrift
echte Himbeeren
aus der Riege.
»Aber das kostet ja dreimal so viel wie das hier!«, entgegnete Noel bestürzt und hob stattdessen einen Becher mit
Himbeergeschmack
in die Höhe.
»Aber hier sind richtige Früchte drin! Das ist doch nur Chemie.« Lea schüttelte den Kopf und packte ihre Wahl ein. Noel blinzelte sein Behältnis an und stellte es wieder zurück.
Dieser Ablauf sollte sich beinahe jedes Mal wiederholen, wenn sie zielgerichtet nach einem Markenartikel griff. Das eine oder andere Mal dachte sie sogar wirklich darüber nach, sich von ihm zu der billigeren Alternative überreden zu lassen, doch es gab einfach kein Produkt, bei dem ihr die Qualität nicht zu wichtig war, um darauf verzichten zu können. Noel konnte das zwar in keiner Weise nachvollziehen, gab sich aber irgendwann geschlagen und damit zufrieden, sie in ihrem Element zu beobachten.
An der Kasse angekommen, entdeckte Lea noch eine verirrte Tüte mit Schokoladenherzen und steckte sie kurzerhand ebenfalls in den Korb. Nur weil die Schokolade die Form von Herzen hatte, kam ihre Benutzung keinem Geständnis gleich, oder? Nein, beschloss Lea. Definitiv nicht.
Die Kassiererin zog nach und nach all die Lebensmittel mit einem Piepen über das Band und Leas Augen wurden bei dem ansteigenden Preis auf dem kleinen Bildschirm immer größer. Als sie jedoch ihre Kreditkarte zückte, um zu bezahlen, bemühte sie sich um ein gefasstes Gesicht, denn sie wollte vor
Weitere Kostenlose Bücher