Dezembergeheimnis
verdammt!« Langsam klang Lea genervt, auch wenn sie zugeben musste,
dass
sie ihre Wohnung ab und zu abgesucht hatte – jedoch hatte nie etwas gefehlt.
»Ach, Lea, ich weiß auch nicht. Und bist du immer noch sicher, dass du Noel morgen mitnehmen willst? Das Angebot von Pauls Kollegen steht wohl immer noch. Du weißt, ich will nur dein Bestes.«
»Gut. Denn mein Bestes ist, wenn Noel mitkommt. Ich werde ihn doch nicht hier alleine in meiner Wohnung lassen.«
»Das ist ein guter Einwand«, stimmte Sally ihr zu – allerdings aus anderen Gründen als Lea. Seufzend gab sie sich schlussendlich geschlagen. »Hach, na gut, wie du willst. Ich hab die Klamotten für ihn ohnehin schon mitgebracht. Auch wenn ich nicht weiß, ob sie ihm passen werden. Ich hätte mich ja an Paul orientiert, aber ein Anzug muss schon richtig sitzen. Und da ist Noel einfach zu klein.«
»Noel ist
nicht
zu klein. Er ist perfekt.«
Bamm
. Lea wurde heiß und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Sally bedachte sie mit einem mitleidigen Blick und schüttelte den Kopf.
»Oh je, was hat der nur mit dir gemacht?« Sie schloss den Reißverschluss im Rücken. »Da, fertig.«
Bevor sie auch nur einen Blick in den Spiegel warf, drehte Lea sich um und schlang beide Arme um den Hals ihrer Freundin.
»Danke!«, murmelte sie. »Du bist wirklich meine Lieblingsfreundin.«
Sally schnalzte lediglich mit der Zunge. »Das heißt aber noch lange nicht, dass ich nicht trotzdem misstrauisch bleibe! Eine von uns muss ja einen klaren Kopf behalten, wenn du dich schon dazu entscheidest, auf unvernünftigen Teenie zu machen!« Sie wuschelte Lea durch die Haare und grinste. »Er ist also perfekt, ja?«
»Auf die Größe bezogen. Das meinte ich«, verteidigte die sich schwach, doch ihre Gegenüber lachte nur in sich hinein. Endlich drehte Lea sich zum Spiegel und betrachtete sich unzufrieden. Wie zu erwarten sah sie aus wie ein Kind in einem viel zu erwachsenen Kleid. Erneut schüttelten beide den Kopf, Sally befreite sie aus dem Stoff und der Kampf mit dem nächsten begann.
»Aber du musst zugeben, dass es etwas Unheimliches hat, wie er einfach auftaucht und so besessen von dir ist.« Klar, wenn man es so formulierte.
»Aber wäre er ein Irrer, hätte er doch schon genug Möglichkeiten gehabt, mich zu strangulieren und dann alles auszuräumen. Dann hätte ich doch nicht mal die erste Nacht überlebt.«
Sally fuhr sich mit der Hand durch ihren Pferdeschwanz und dachte nach. »Vielleicht will er sich auch nur dein Vertrauen erschleichen, um sich längerfristig bei dir einzuquartieren. Er liegt dir immerhin auf der Tasche.«
Lea wollte es nicht zugeben, aber damit hatte sie Recht. Doch so war Noel einfach nicht.
Dieser musste bald zwei Stunden im Wohnzimmer warten. Und die Diskussion, ob man ihn als vertrauenswürdig einschätzen durfte oder nicht, wollte in der gesamten Zeit nicht abbrechen. Sally brachte zu Leas Bedauern viele gute Argumente und alles, was sie hatte, war ihr Bauchgefühl und ihr Urvertrauen, was in ihm einfach keinen Betrüger sehen konnte. Und ihr Herz, welches in seiner Nähe immer etwas schneller schlug. Für ihre Freundin leider keine überzeugenden Beweise.
Schlussendlich hatte sich die Kleiderauswahl auf zwei reduziert: ein kleines Schwarzes und ein elegantes Dunkelgrünes.
»Ich finde, Noel sollte entscheiden«, verkündete Sally.
»Wenn du meinst.« Lea stimmte zwar zu, aber sie spürte, dass ihre Freundin irgendwas vorhatte. Warum sonst sollte sie eine Entscheidung, die für sie so wichtig war, dass sie ihren Samstag dafür verschwendete, von jemandem treffen lassen, dem sie nicht mal soweit traute, wie sie ihn werfen konnte? Lea hatte nur nicht den blassesten Dunst, was sie plante. Aber ganz gleich, was es war; sie hatte ein ungutes Gefühl. Was, wenn Noel sich gar nicht entscheiden konnte? Er durfte dieses Mal nicht fragen, was
sie
lieber wählen würde. Aber gegen Sallys Blick, der eher an die chinesische Mauer erinnerte, kam sie nicht an.
Gerade so den Reißverschluss bei dem geschickt geschnittenen schwarzen Stoffbündel hochgezogen, öffnete Sally schon die Schlafzimmertür und drängte sich mit ihr nach draußen. Lea brauchte nur zwei Schritte gehen und – Schwupps – stand sie mitten in der Stube. Ihre Beine kamen ihr furchtbar nackt vor und am liebsten hätte sie schützend die Hände vor der Brust verschränkt. In diesem Augenblick wusste sie nicht mehr, wie das Kleid in die engere Auswahl gekommen war.
»Also,
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