Dezembergeheimnis
leise.
»Dann muss es mir ja schmecken, immerhin bin ich dein Weihnachtsgeschenk.« Während er sich vollständig aufs Essen konzentrierte, trank Lea einen Schluck Kaffee und beobachtete ihn. Sie wusste nicht genau warum, aber in diesem Moment war sie glücklicher als all die Tage zuvor. Schweigend genossen sie das Frühstück – und spürbar auch die Anwesenheit des anderen.
»Ach ja. Bei deinem Telefon blinkt so ein kleines rotes Licht. Das war gestern Vormittag noch nicht da«, fiel Noel plötzlich ein, während er mit dem Daumen Richtung Sofa deutete.
»Oh, das ist der Anrufbeantworter«, murmelte Lea überrascht, ließ das Brötchen liegen und trat durch den Raum an das Gerät heran. Einmal aufden leuchtenden Knopf gedrückt, piepte und klickte es, bis die Frauenstimme ansprang, die ihr verkündete, dass sie letzten Nachmittag einen Anruf verpasst hatte.
»Hey meine Kleine«, tönte die verzerrte Stimme ihrer Mutter aus dem kleinen Rekorder. »Wir hatten die letzten Tage nicht miteinander telefoniert, deswegen wollte ich nur sichergehen, ob du wie immer am Ersten zum Kaffee zu uns kommst? Wäre lieb, wenn du noch Kartoffelsalat mitbringen könntest, wir kommen Montag nämlich erst gegen zehn Uhr zu Hause an, aber ich will es trotzdem nicht ausfallen lassen. Der Urlaub ist übrigens wundersch–«
Das Gerät piepte abermals und schnitt sie mitten im Satz ab. Typisch ihre Mutter. Sie verstand einfach nicht, dass ihr nur eine bestimmte Zeitspanne zur Verfügung gestellt wurde.
Überfordert starrte Lea das Telefon an. Natürlich wusste sie von dem Essen an Neujahr, es war schließlich schon ein paar Jahre lang wie eine kleine Tradition und trotzdem war es ihr über die letzten Tage hinweg komplett entfallen. Sollte sie Noel mitnehmen? Oder andersherum: Wollte sie ihn nicht mitnehmen?
»War das deine Mutter?«, machte sich dieser hinter ihr bemerkbar. Als sie sich zu ihm drehte, saß er noch immer auf seinem Stuhl.
»Ähm, ja. Sie wollte mich an das Neujahrsessen erinnern. Zum Glück hat sie noch rechtzeitig Bescheid gesagt, damit wir die Zutaten für die Kuchen nicht schon aufessen.« Wie viel hatte er mitbekommen?
Blöde Frage, Lea
, schimpfte sie sich innerlich.
Er sitzt maximal sieben Meter entfernt von dir, wo hätte er sonst hinhören sollen?
Würde er überhaupt mitkommen wollen? Ihre Mutter kennenlernen? Was würde sie zu ihm sagen? Würde Lea sie auch anlügen müssen? Konnte sie das bei ihr?
»Bist du besorgt?«
Ihr Kopf schoss bei seiner Frage nach oben und erst in der Bewegung fiel ihr auf, wie fest sie auf der Unterlippe gekaut hatte.
»Na ja … «, setzte sie unsicher an und mogelte sich etwas Zeit, in dem sie langsam zu ihrem Platz zurückschlich. »Würdest du denn mitkommen wollen?«
»Es ist deine Mutter, also deine Entscheidung.« Er musterte sie völlig ruhig und freundlich. Lea lächelte ihn an und biss in das Brötchen, doch anstatt erleichtert zu sein, war sie enttäuscht. Enttäuscht, von allen möglichen Reaktionen! Sie hätte sich am liebsten selbst eine Ohrfeige verpasst, doch sie konnte nicht leugnen, dass sie irgendwie darauf gehofft hatte, dass er ihre Mutter von sich aus kennenlernen wollte.
»Hast du dir gestern denn hier alles schon angesehen?«, fragte sie ihn, um diese Problematik erst einmal zu umgehen. Sie würde sich später entscheiden, wie sie sie handhaben würde. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich und Noel bereits am Tisch ihrer Mutter sitzen, aber das würde sie noch mit Noel klären müssen. Würde er mitkommen, gab es keine Chance, dass dieses Essen nicht in einer schlimmeren Version eines Bewerbungsgespräches ausarten würde.
Und was denken Sie, Noel, warum sind ausgerechnet Sie der Richtige für meine Tochter?
, hallte ihr bereits die Stimme ihrer Mutter in den Ohren.
Weil ich ihr Traummann bin
, würde dieser wie immer erwidern.
Was wissen Sie denn bereits über sie? Und welche Qualitäten bringen Sie mit?
Lea gab sich geschlagen. Vielleicht wäre es doch gar nicht so schlecht, wenn sie alleine ging. Diese Blamage konnte man immer noch irgendwann anders hinter sich bringen und sie musste Noel ja nicht mutwillig vergraulen.
Gesetz den Fall, dass er mit dem Wohnraum bereits fertig wäre, wäre heute außerdem ihr Schlafzimmer an der Reihe. Und, Gott sei ihr gnädig, sie wollte nicht mal daran denken.
»Nein, ich bin noch nicht durch. Wenn ich mich denn noch ein bisschen mehr umsehen darf?«
»Ja! Ja, natürlich«, antwortete sie eilig,
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