Dezembergeheimnis
schmunzelnd. Sie schlug ihm leicht gegen den Oberarm.
»Hoffentlich nicht; ich wüsste nicht, wie ich das Bernhard erklären sollte.«
Er lachte, bis Besagter wieder zu ihnen trat und sich auf der anderen Seite von Noel mit einem gemütlichen Schnaufen niederließ.
»Wirklich kein Bier?«
»Nein, danke«, lehnte Noel ab. »Ich muss nachher noch fahren. Von Lea zu … mir nach Hause.«
»Diese Jugend. Na gut, immerhin vorbildlich. Was fährst du?«
»Ähm … « Lea und Noel warfen sich einen geschockten Blick zu, ehe er blitzschnell schaltete und die erstbeste Automarke vorlas, die auf einem von Bernhards Magazinen auf dem Wohnzimmertisch stand.
»Einen Jaguar XJ.«
»Einen was?« Beinahe verschluckte Bernhard sich an seinem ersten Schluck Bier, ehe er Noel aus großen Augen heraus anstarrte. »Wie kommt ein junger Spund wie du denn zu so einem Wagen?«
»Geerbt«, erwiderte Noel knapp. »Sie haben übrigens wirklich ein schönes Haus. Mir haben es besonders diese Bilder dort angetan.«
Er deutete auf die Familienfotos, die über dem Fernseher wild durcheinander hingen. Ein paar zeigten Leas Mutter und Bernhard auf ihren Reisen oder in dem winzigen Garten vor dem Haus. Doch den größten Anteil nahmen wohl die Portraits von Lea ein. In nicht chronologischer Reihenfolge dokumentierten sie gnadenlos ihre gesamte Pubertät, Schulzeit und vereinzelt sogar das Studium.
Leas Augen weiteten sich. Shit, die hatte sie ganz vergessen.
Ihr Stiefvater lachte. »Ja, Anita liebt das Fotografieren.«
Hat es geliebt
, berichtigte Lea in Gedanken. Die Jahre dieser Kamerabegeisterung gehörten mittlerweile glücklicherweise der Vergangenheit an.
»Zeig ihm doch mal die Bilder in deinem Zimmer oben. Damit er nicht nur diese gestellten Bilder sehen muss.«
»Dein Zimmer?«, wiederholte Noel, hellhörig geworden. Entsetzt starrte sie Bernhard an. Das war der Moment, an dem es Zeit wurde, einzuschreiten.
»Das ist keine gute Idee.«
»Warum nicht?«, fragte ihr Stiefvater verwirrt.
»Ja, warum nicht? Ich würde es gerne sehen«, warf Noel ein.
»Ich möchte es dir aber nicht gerne zeigen«, entgegnete Lea. Auf seinen verdutzten Gesichtsausdruck hin, erweichte sie sich jedoch ein wenig. »
Noch
nicht. Irgendwann mal. Vielleicht. Aber nicht heute.«
»Ach Lea, du brauchst dich doch nicht zu schämen. In deiner Wohnung war er doch sicherlich auch schon.« Wie weit diese Aussage die Wirklichkeit untertrieb, wollte sie sich gar nicht ausmalen, ihm zu erklären.
»Das ist was völlig anderes!«
»Unsinn.« Bernhard schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Bier.
»Nein, das ist in Ordnung«, winkte Noel ab. »Du zeigst es mir, wenn du es möchtest.«
Unsicher sah sie ihn an. »Es ist wirklich etwas anderes«, wiederholte sie.
»Ich weiß.« Er schenkte ihr ein schmales Lächeln und sofort fühlte sie sich wieder schlecht – aber anders entscheiden konnte sie sich trotzdem nicht.
Zu ihrer Überraschung begann Noel daraufhin mit Bernhard ein Gespräch über Fußball, bis sie auf Volleyball umschwenkten. Noel schien mit ihrem Stiefvater übereinzustimmen, dass Fußball der interessantere Sport war. Fasziniert lauschte sie den beiden, denn aus Noels Mund klang die ganze Angelegenheit viel spannender als sonst. Sie konnte nur vermuten, dass er das ebenfalls alles durch ihren Fernseher gelernt hatte. Der Mann vergaß wirklich nichts.
Irgendwann stieß auch ihre Mutter zu ihnen ins Wohnzimmer.
»Deine Großtante hat uns auch noch ein Paket geschickt, für Weihnachten und Neujahr. Da sind noch ein paar Geschenke drin
und
ein paar Neujahrsspielereien.« Mit einem vielsagenden Grinsen zwinkerte sie ihnen zu. »Ich habe keine Ahnung, wo ich es hin gepackt habe … «
Mit gerunzelter Stirn fing sie an, das Wohnzimmer abzusuchen.
»Lass ruhig, Mama, ich glaube, die Männer wollen ohnehin lieber das Spiel sehen.«
Sie durchforstete geräuschintensiv zwei weitere Schränke, ehe sie mit einem Schmollmund aufgab. »Vielleicht hast du Recht. Mein Chaos ist wirklich furchtbar manchmal … Oh, aber Horoskope hab ich da! Wartet hier, es sind richtig schöne! Hab ich auf der Heimfahrt an der Raststätte abgegriffen. Die müssen hier noch irgendwo sein … « Ihre Stimme verklang murmelnd im Flur.
Bernhard und Lea seufzten leise, Noel sah sie nur verwundert an. Lea schüttelte leicht den Kopf, worauf er sich nickend wieder dem Fernseher zuwandte. Doch zu früh gefreut.
»Hier sind sie!«, verkündete Anita
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