Dezembergeheimnis
soll ich es denn jemals schaffen, dir ebenbürtig zu werden, wenn nicht mal du das denkst? Wenn du dir schon Sorgen machst, dann bitte, weil du mich magst.«
Lea sah auf ihrer beiden Hände und schnaubte leise. »Du hast mich zu Tode erschreckt. Ich kann dich gerade nicht besonders gut leiden.«
»Wenn es nur für den Moment ist, kann ich wohl damit leben.«
Sie hob den Kopf, bis sie ihm in die Augen schauen konnte. Noel drückte ihre Hand und lächelte. Um seine Augen herum bildeten sich kleine Lachfalten und sie bekam unter seinem amüsierten Blick prompt warme Wangen.
Sie fühlte sich ertappt, denn er hatte Recht. Ihre Angst war vielleicht wirklich übertrieben und wenn sie nicht aufpasste, würde sie am Ende noch Muttergefühle für ihn entwickeln – eher destruktiv.
Noel ließ ihre Hand los und trat einen höflichen Schritt zurück. Lea wusste nicht ganz, ob sie dankbar oder enttäuscht sein sollte, sagte aber nichts.
»Hier arbeitest du also?« Er betrachtete die hohen Regale und musste den Kopf in den Nacken legen, um bis zu den obersten Fächern zu sehen.
»Noel«, sagte sie mit warnendem Unterton, denn sie waren noch nicht fertig. Er drehte sein Gesicht wieder direkt zu ihr und sie verfluchte ihn. Gott, diese grün-braunen, melancholischen Augen. Aber das half ihm auch nicht, zumindest nicht in diesem Moment. »Ich hätte trotzdem gerne eine ordentliche Erklärung dafür, weshalb du hier bist. Und bitte sag jetzt nicht, dass du wirklich rausgegangen bist, obwohl es schneit, nur um mir meinen Wagen zu bringen, den ich nicht brauche und den du gar nicht fahren kannst.«
»Ganz ruhig, Lea.« Er hob beide Hände. »Ich kann fahren. Ich hab letzte Woche schon diese Hefte gefunden, in denen alles erklärt ist. Und deine Notizen und das kleine, zerknitterte Regelbuch. Alles in deinem Wohnzimmer.« Mit offenem Mund starrte sie ihn an. »Und erst letzte Woche kam eine Sondersendung über die Bau- und Funktionsweise von Autos.«
Das konnte nicht sein Ernst sein. Bisher hatte sie ihn wirklich für einen intelligenten, vielleicht etwas naiven, aber vernünftigen jungen Mann gehalten, aber nun schien ihm der rohe Teig das Gehirn verklebt zu haben. Sie fasste sich an die Stirn und musste sich rückwärts gegen das nächste Regal lehnen.
»Aber du brauchst ihn wirklich nicht?« Er fuhr sich durch die Haare und sah auf seine Schuhe. »Ich dachte nur … «
Lea schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Noel, versprich mir eine Sache: Ruf mich in solchen Fällen
bitte
vorher an! Und du setzt dich nicht mehr hinters Steuer, bis wir auf dem leeren Parkplatz vor dem Einkaufszentrum ein paar Proberunden gedreht haben!«
Er verzog den Mund, ehe er einknickte und die Hände in die Hosentaschen schob. »Na gut, wenn es dir so wichtig ist. Aber wie soll ich denn anrufen, wenn ich nicht mal eine Telefonnummer von dir habe?«
Lea lächelte. »Du kannst Autofahren, aber keine Nummer im Telefonbuch suchen?«
Daraufhin mussten sie beide leise lachen und plötzlich schienen die heftigen Worte von gerade eben wie aufgelöst. Sie sah zu ihm auf und er hob seine Hand, wie, um ihr eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen, als …
… Maria am Gang vorbeilief und ihr mitten im Schritt die Bücher aus dem Arm fielen, als sie die beiden entdeckte. Durch den Aufprall aufgeschreckt, fuhren Noel und Lea auseinander, und Lea bemerkte erst in diesem Moment, wie nah sie beieinander gestanden hatten.
»Oh Gott, e-entschuldigt«, stammelte ihre Freundin, während Lea sich sofort bückte, um ihr beim Aufheben zu helfen. Noel war ebenfalls bereit zum Sprung gewesen, doch sie schob ihn vorsorglich hinter sich. Als sie und Maria die Köpfe zusammensteckten, flüsterte letztere: »Ich glaube, du bist mir eine Erklärung schuldig.«
Mit hochrotem Gesicht stand Lea auf, sah auf die Füße und deutete auf ihren Begleiter. »Darf ich vorstellen? Das ist Noel, ähm, Noel Clarke. Noel, das ist Maria, eine liebe Freundin und Kollegin.«
Noel trat hinter ihr nach vorn und reichte Maria die Hand, die sie mit großen Augen schüttelte. »Sehr erfreut. Sie arbeiten also mit Lea zusammen?«
»J-ja. Ebenso«, nickte sie und klammerte sich wieder an ihre Bücher. »Und Sie sind Leas …?«
Noel zögerte kurz. »Mitbewohner.«
»Mitbewohner!«, wiederholte sie und sah Lea mit großen Augen an.
Ups. Hätte sie das irgendwann mal erwähnen sollen?
»Ja, du musst wissen, Noel wollte mich mal besuchen und gucken, was ich auf meiner Arbeit
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