Dezembergeheimnis
wohl offiziell erst mal bei mir einziehen und wir werden sozusagen zu, na ja … Mitbewohnern? Ich bin dir sehr dankbar für die Mühe, die du dir mit mir gibst, obwohl es dafür gar keinen richtigen Grund gibt und es tut mir leid, dass ich am Anfang so furchtbar war und dass ich auch jetzt noch nicht so weit bin, wie ich sein sollte, um dir das zurück zu geben, was du mir bereits gibst, aber um es kurz zu machen: Ich bin froh, dass du da bist. Und auch wenn es erst eineinhalb Wochen sind, war das eine wirklich schöne Zeit und du bist irgendwie einfach schon ein großer Teil meines Lebens geworden. Deswegen habe ich dir ein Bett gekauft?«
Sie spürte Noels eindringlichen Blick auf sich und traute sich nicht aufzusehen. Hatte sie schon immer so naiv und dumm geklungen?
Noel löste sich schließlich aus seiner Starre und trat genau vor sie. Und dann nahm er sie in den Arm. Lea vergaß für einen Moment zu atmen und als sie wieder Luft holte, roch alles um sie herum herrlich nach Kuchen und Noel.
»Ich bin wirklich froh, hier bei dir zu sein, Lea«, flüsterte er knapp über ihrem Ohr und zog sie fest an seine Brust. Und sie stand einfach da, halb an ihn gelehnt, halb ihr Gewicht noch auf eigenen Füßen tragend, und spürte seine Wärme und seinen Atem und ihren Herzschlag und wollte diesen Moment für nichts in der Welt wieder hergeben. »Das bedeutet mir mehr, als du dir vorstellen kannst. Ich werde ab jetzt noch mehr versuchen, mein Bestes zu geben.«
»Sei einfach du selbst«, flüsterte sie.
»Ich bin dabei«, wisperte er zurück. Sie hoffte wirklich, wirklich, dass er es tat. So viel Körperkontakt war zwischen ihnen nicht üblich. Doch es fühlte sich wunderbar an. Wie Flügel zu bekommen oder Sonnenschein im Frühling.
Lea hatte Noel – oder auch sonst wem – noch nie so viel von ihren Gefühlen offenbart wie gerade eben und sie fühlte sich auf eine seltsame Art und Weise plötzlich viel verbundener mit ihm. Es war beinahe richtig kalt, als er schlussendlich vollständig von ihr wegtrat, um die Kisten nacheinander zu öffnen.
»Genau genommen sind es ein Bett und ein Schrank … denkst du, du kriegst das mit dem Aufbauen hin?«, fragte sie. »Es müsste eigentlich auch eine Bedienungsanleitung beiliegen … «
Aber Noel grinste nur und schob sich die Ärmel des Pullovers bis zu den Ellenbogen. »Eine meiner leichtesten Übungen. Auch ohne Anleitung.«
Lea hob als Antwort nur eine Augenbraue, sagte aber nichts dazu, sondern ließ ihn machen. Auf ihrer Unterlippe kauend, beobachtete sie ihn, wie er lauter kleine Einzelteile aus dem Karton zum Vorschein brachte und sie auf dem Boden verteilte. Möglicherweise blieb ihr Blick dabei auch die eine oder andere Sekunde auf seinem breiten Kreuz, den erstaunlich muskulösen Armen oder seinem konzentrierten Gesicht hängen. Aber wer zählte schon?
»Er wird großartig aussehen.« Noel nickte zufrieden, obwohl er noch nicht eine Schraube gesetzt hatte.
»Es freut mich, dass er dir gefällt. Aber es ist nur ein winziger Schrank.«
Er sah zu ihr auf. »Aber es ist mein Schrank.«
»Richtig.«
Einen Moment blickten sie sich in die Augen und es kam ihr so vor, als würde sich dieser neue Grad an Bindung zwischen ihnen in dieser Sekunde noch mehr verstärken. Als hätten sie einen stillen Pakt geschlossen, nur sie beide.
»Am besten, ich mache uns in der Zwischenzeit etwas zu essen.« Noel nickte und beugte sich wieder über seine Bretter, während sie sich zur Küchenzeile umdrehte. Als sie die Zutaten für seinen Teig und ihre Ofenkartoffel zusammengesucht hatte, drang ein leises »Verdammt!« aus dem Wohnzimmer zu ihr und entlockte ihr ein kleines Lächeln. Das erste Schimpfwort.
Es war der richtige Zeitpunkt. Vielleicht nicht der, bei dem sie erwartet hatte, sie zu benutzen, aber ihr Bauch sagte ihr, dass es ein guter Schritt war. Zumindest hoffte sie, dass ihr Bauch ihr das sagte.
Mit Schmetterlingen in der Magengrube holte sie die kleine Packung Schokoherzen aus dem Schrank.
Als Noel diesen Zusatz eine Stunde später in seinem Teig entdeckte, konnte sie ihm nicht in die Augen sehen. Stattdessen starrte sie auf die Ofenkartoffel, als erwarte sie eine überraschende Explosion und war hin- und hergerissen, ihm die Schüssel nicht einfach wieder aus der Hand zu schlagen.
Sie saßen nebeneinander auf dem Sofa, sodass Lea seine Reaktion aus dem Augenwinkel beobachten konnte. Er hielt für einen kurzen Moment inne und sah auf den Löffel, auf
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