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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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eine halbe Stunde zu spät!«
    Lore trank von dem sauren Bier und lächelte zaghaft und ein wenig erleichtert. Jetzt verstand sie, warum Nathalia so von ihrem Onkel Thomas geschwärmt hatte. Er war ein freundlicher, aber auch energischer Herr, dessen vornehme Kleidung von der Auseinandersetzung mit den vier Banditen ein wenig mitgenommen war. Außerdem sah er so aus, als hätten die Hunde ihn mindestens zweimal gebissen. Einem Mann, der sich so für die Enkelin eines Freundes einsetzte, konnte sie vertrauen.
    »Dafür sind Sie heute gerade noch rechtzeitig gekommen, Herr Simmern! Nathalias widerwärtiger Vetter wollte, dass ich Nati noch an diesem Tag umbringe! Es sollte so aussehen, als sei sie am Fieber gestorben. Dafür hat er mir allerlei falsche Versprechungen gemacht. Außerdem glaube ich, er will Graf Retzmanns Testament fälschen und sich selbst als Erben einsetzen lassen. Er erwähnte einen Mann, der Schriften nachahmen könne und den er schon bezahlt habe … Oh, das Testament! Es ist in dem Päckchen mit den Papieren, die mir Natis Großvater vor seiner Ermordung anvertraut hat. Ich habe sie bei Mary Penn versteckt, und jetzt ist dieser Schuft wahrscheinlich schon dort, um sie sich zu holen. Wir müssen verhindern, dass der Mörder das Testament in die Hände bekommt! Heilige Muttergottes, hoffentlich ist es noch nicht zu spät!«
    Thomas Simmern versuchte, sie zu beruhigen. »Wir werden erst Nati und Konrad, meinen Kammerdiener, zum Hotel bringen.Dort kann Konrad einen Arzt holen lassen, der sich um unsere Kleine kümmert. Wir beide aber fahren sofort weiter zu den Penns. Deine Freundin Mary sieht nicht so aus, als ließe sie sich von irgendjemandem einschüchtern. Sie hat mir fast die Augen ausgekratzt, weil ich zu spät gekommen bin und die Kutsche nicht schnell genug wenden konnte, um Ruppert zu verfolgen.« Simmern lachte leise, als er sich daran erinnerte, und fuhr dann mit seinem Bericht fort.
    »Einer von Marys Brüdern hatte sich einen Karren gemietet und ist mit diesem kreuz und quer durch die Stadt gefahren. Dabei hat er die Straßenkinder von ganz Harwich nach Ruppert gefragt. Der Junge hatte Glück, denn er konnte Rupperts Kutsche folgen und sehen, wie diese zu dem alten Cottage abgebogen ist. Aber wie das Schicksal so spielt, hat der Karrengaul auf dem Rückweg ein Eisen verloren, und sein Besitzer weigerte sich, noch einen Meter weiterzufahren. Daher bin ich erst heute Morgen informiert worden. Wie du siehst, hat deine Freundin Wort gehalten und alles zu deiner Rettung unternommen.«
    »Zu Natis Rettung!«, antwortete Lore. »Ich hatte dem Großvater unserer kleinen Lady versprochen, auf sie aufzupassen und sie nicht zu verlassen, bis sie bei Ihnen in Sicherheit ist. Das habe ich auch gehalten.«
    »Nun, ich hoffe, du bleibst noch eine Weile bei ihr, zumindest so lange, bis sie gesund und munter wieder zu Hause in Bremen ist. Wenn wir ins Hotel zurückkehren, soll der Arzt dich ebenfalls untersuchen. Ich engagiere eine Zofe, die sich um euch beide kümmert – oder besser noch eine Krankenschwester. Du siehst sehr blass aus, mein Mädchen, und gehörst ins Bett. Glaubst du, du hältst noch durch, bis wir bei den Penns waren? Oder soll ich dich ebenfalls im Hotel zurücklassen?«
    »Nein! Ich komme auf jeden Fall mit. Das heißt, wenn sich jemand um Nati kümmert. Ist Herr Konrad zuverlässig?«
    »Nicht Herr Konrad, sondern einfach nur Konrad! Er war der Steuermannsmaat meines Schiffes, als ich selbst noch zur See gefahren bin, und jetzt ist er mein Kammerdiener. Aber er nennt mich immer noch Käpt’n. Ja, er ist zuverlässig, und er kennt Nati seit ihrer Geburt. Keine Sorge, er wird sich besser um sie kümmern als jede Amme.«
    Nati öffnete die Augen und grinste ihren Onkel an. »Konrad ist ein feiner Kerl! Er hat Äpfel für mich gestohlen und einmal sogar Schokolade. Er beschützt mich, solange ihr den bösen Ruppert übers Knie legt.«
    Thomas Simmern lachte schallend. »Meine liebe Nathalia, du bist unverbesserlich! Konrad wird dir diesmal keine Schokolade stehlen, weil du nämlich zuerst gesund werden musst. Danach bekommst du meinetwegen genug Schokolade, um dir den Magen zu verderben. Spuck sie aber nicht wieder über meine beste Hose!«
    »Das tue ich nur, wenn du Lore nicht wieder mitbringst«, murmelte Nati schläfrig. »Sie ist meine beste Freundin, und sie hat mir das Leben gerettet. Sie hat auch einen adeligen Großvater, und der war ein Freund von Opa. Du musst sie wie eine

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