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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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aber packte ihn an der Schulter und zwang ihn, sich umzudrehen. Zu ihrem Leidwesen konnte Lore nicht verstehen, was er sagte, doch sie sah mit Genugtuung, wie Natis Vetter dunkelrot anlief und die Zähne fletschte wie eine wütende Bulldogge. Nach einem Augenblick der Erstarrung folgte er Thomas Simmern, der wieder zur Kutsche zurückkehrte, als sei nichts geschehen.
    Direkt neben dem Kutschenschlag packte Ruppert Onkel Thomas am Rockaufschlag und drückte ihn gegen den Wagenkasten. »Was sollte das eben heißen?«, fragte er sehr leise und gepresst auf Deutsch.
    »Nur das eine: Geh zu deinem Winkeladvokaten, behaupte, das Ganze sei ein Irrtum von dir, und blase die Sache hier ab. Sonst sorge ich dafür, dass Scotland Yard von deinen Geschäften mit dem Hehler und Waffenschieber Horris Blandon erfährt! Du hast den Kapitän der vor zwei Jahren bei den Hebriden gestrandeten Viermastbark
Fair Lady
etwas zu tief in deine Karten sehen lassen. Der Mann hat mich nicht nur darüber aufgeklärt, wie du den Norddeutschen Lloyd um etwa dreißigtausend amerikanische Dollar betrogen hast, sondern er hat mir auch einiges über deine Kontakte zu einem gewissen Hank Pycroft aus Boston und dessen Geschäftspartner Horris Blandon erzählt. Ich denke, ein paar Leute in London würden sich über meine Hinweise freuen!«
    Ruppert stand da, als hätte ihn der Schlag getroffen. Nur allmählich fand er seine Sprache wieder. »Ich glaube, ich habe einen erpresserischen Lumpenhund zu wenig umge… Aber das geht dich plattfüßigen Einschleimer nichts an! Jetzt denkst du, du hättestgewonnen und könntest dich als Vormund meiner Base in Bremen ins gemachte Nest setzen, um das Vermögen des Alten genüsslich an dich zu bringen, nicht wahr? Aber davon träumst du nur! Wenn ich das Testament gefunden habe, kannst du deine Höllenkatze von Patenkind meinetwegen an deine Brust drücken, aber die Moneten werde ich mir holen. Solltest du mir Schwierigkeiten machen, drehe ich dem kleinen Biest eigenhändig den Kragen um, das schwöre ich dir! Ich lasse mich von der Tochter einer russischen Hure nicht um mein Erbe bringen! Ebenso wenig von einem lächerlichen Emporkömmling wie dir!«
    »Versuche lieber nicht, mich mit etwas zu erpressen, was du längst nicht mehr besitzt«, antwortete Thomas Simmern ebenso leise, aber mit einem Lachen in der Stimme. »Ich würde an deiner Stelle mal einen Blick in den Wagen werfen.«
    Ruppert hob den Kopf und starrte direkt in Lores Gesicht. Auch wenn ihr das Herz wie rasend schlug, so musste sie doch unwillkürlich lachen, denn Natis Vetter glich jetzt einem frisch gefangenen Dorsch.
    Er riss ein paarmal den Mund auf und schnappte nach Luft, ohne einen einzigen Ton über die Lippen zu bringen. Schließlich stieß er einen ordinären Fluch aus, zähmte dann aber seine Stimme, um nicht von Fremden gehört zu werden.
    »Ich weiß nicht, wie du meine Leute überlistet hast, denn freiwillig hätten die dir das Weibsbild und das kleine Balg nicht herausgegeben. Aber noch hast du nicht gewonnen!«
    »Ich glaube, doch. Wenn du jetzt nicht auf der Stelle verschwindest und Nati, ihre Kinderfrau und den Rest der Familie in Ruhe lässt, klage ich dich wegen Menschenraubs an. Die Kette an Fräulein Huppachs Bein spricht eine Sprache, an der auch dein Rechtsverdreher nicht herumdeuteln kann.«
    Ruppert sah aus, als wolle er Simmern schlagen, begnügte sich dann aber mit einem Achselzucken. »Pah! Ich kann meine Dienstbotenzüchtigen, wie ich will. Solange ich sie nicht totschlage, inter essiert das keinen.«
    »Da irrst du dich. Du hast keinen Kontrakt mit Fräulein Huppach in der Hand. Außerdem ist sie keine Dienstbotin, sondern die Enkelin des Herrn von Trettin auf Trettin. Falls du dich nicht an ihn erinnerst: Er war der wilde Nikas, ein Studienfreund deines Großvaters. Graf Retzmann hat sich ihrer um dieser alten Freundschaft willen angenommen und sie gebeten, ihn als Nathalias Gesellschafterin zu begleiten. Das habe ich schriftlich von dem alten Herrn.«
    Ruppert schüttelte den Kopf, so dass seine Haare aufstoben. »Du lügst, wie es dir passt! Jeder weiß, dass dieses Miststück ein armer Dienstbolzen ist, der als Waschfrau oder Ähnliches mit den fünf auf der
Deutschland
krepierten Betschwestern nach Amerika fahren sollte.«
    »Du wirst kaum eine Waschfrau finden, die das Geld hat, zweiter Klasse zu reisen, und das in Begleitung einer eigenen Zofe. Ich bin vom Lloyd mit der Abwicklung des Schiffsunglücks beauftragt

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