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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hätte als Gesprächspartner nur die Fische oder diesen elenden Ruppert und seine Kumpane.
    Übrigens, bevor du nach Herrn Fridolin fragst: Der war bis vor kurzem hier und hat mit an deinem Bett gewacht. Aber er ist eben doch nicht ganz seefest und hat sich daher in seine Kabine zurückgezogen. Ein braver Bursche, muss ich sagen. Wenn er Rupperts Spießgesellen nicht ausgeschaltet hätte …« Konrad ließ den Rest das Satzes unausgesprochen, aber Lore und Nati verstanden ihn auch so.
    »Jetzt bin ich doch froh, dass Fridolin dir nachgereist ist«, erklärte Nati mit einer großspurigen Geste. »Am Anfang habe ich ihn nicht so gemocht, aber er hat sich als sehr nützlich erwiesen.«
    Lore musste über die Ausdrucksweise der Kleinen lachen. Dennoch empfand sie beim Gedanken an Fridolin mehr als nur Dankbarkeit. Wäre er nicht gewesen, lägen sie alle tot im Bauch der
Strathclyde
. Doch so heldenhaft, wie Konrad ihn darstellte, schien er ihr nicht zu sein. Helden lagen schließlich nicht mit Seekrankheit in der Kabine.
    Sie schob den Gedanken beiseite und blickte Konrad tadelnd an. »Du wirst keine Kerzen stiften, sondern Mary schreiben, sobald wir in Bremen sind, und sie zu uns einladen. Ich werde dasselbe tun. Später könnt ihr beide euch überlegen, ob ihr nicht doch heiraten wollt. Allerdings wirst du ihr in ein paar Jahren erlauben, mit mir zusammen ein Modegeschäft aufzumachen. Ich brauche ihre geschickten Hände.«
    Während dieser fordernden Worte trat Thomas Simmern in die Kabine. Auch er trug einen gewaltigen Verband um den Kopf und wirkte angeschlagen.
    Die Krankenschwester schob ihm einen Stuhl hin. »Setzen Sie sich bitte, Herr Simmern. Oder wollen Sie hier zusammenklappen? Dann müsste ich den Steward holen, damit er mir hilft, Sie wieder in Ihre Kabine zu schaffen.«
    »Danke!« Onkel Thomas ließ sich aufatmend nieder und streckte Lore die Hand entgegen. »Auch dir will ich danken! Bei Gott! Ich kann mein Glück, am Leben zu sein, immer noch nicht fassen. Konrad und ich haben uns benommen wie heurige Hasen. Wenn wir dich und Fridolin nicht gehabt hätten …«
    »… würden wir jetzt alle bei den Fischen liegen«, fiel Nati ihm ins Wort.
    »Das ist zwar etwas drastisch ausgedrückt, aber richtig.« Onkel Thomas bat die Krankenschwester, ihm ein Glas Wasser, mitWein vermischt, zu bringen, dann wandte er sich wieder an Lore. »Kannst du mir erklären, was da unten passiert ist? Hast du wirklich mit Ruppert gekämpft, wie Konrad behauptet? Das kann ich nicht glauben!«
    Lore schob Natis Kopf von ihrer festverbundenen Schulter und bettete sie auf ihr Kissen. »Die Knöpfstiefel, die du mir zu Weihnachten gekauft hast, haben mich gerettet. Ruppert hatte sich an meinem Fuß festgeklammert, gerade als sich der Bug des anderen Schiffes in den Laderaum bohrte. Jedenfalls sind die Knöpfe unter seinem Griff aufgegangen, und Ruppert hat den Halt verloren. Ich hoffe, er ist dort unten zugrunde gegangen, wie er es verdient hat!«
    »Er ist ein Teufel und eine Ratte. Solche finden immer ein Schlupfloch, sagt Anna, die Köchin«, wandte Nati ein.
    Onkel Thomas beugte sich über das Bett und zupfte das Kind am Ohr. »Du bist ein vorwitziges und unerzogenes kleines Mädchen. Ich glaube, ich muss Großtante Ermingarde bitten, dich fest an die Kandare zu nehmen. So freche Mädchen bekommen nämlich nie einen Ehemann!«
    Nati schob die Unterlippe vor. »Ich will nicht zu Großtante Ermingarde. Sie hasst mich, und sie hat feuchte Hände! Außerdem bekomme ich von Opa genug Geld, um mir zehn Ehemänner kaufen zu können.«
    »Hat das auch die Anna gesagt?«, fragte Lore mit halbunterdrücktem Lachen.
    »Nein, der alte Zitter-Klaus, der wie Opa auf der
Deutschland
ertrunken ist. Ich habe gehört, wie er das zu einem anderen Domestiken gesagt hat«, verteidigte die Kleine sich.
    Lore und Onkel Thomas tauschten einen langen Blick und waren sich auch ohne Worte einig, dass Natis Erziehung in liebevolle, aber feste Hände gehörte. Ob diese Großtante jedoch die richtige Person war, wagte Lore nach allem, was sie über die Dame gehört hatte, zu bezweifeln. Zuerst wollte sie jedoch ihre Neugier stillen.
    »Ich bin zwar gespannt darauf, Tante Ermingarde kennenzulernen, aber noch mehr interessiert mich, was euch zugestoßen ist! Wieso hat Ruppert euch beide erwischt?«
    Konrad breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus. »Auf dem Weg zur Kombüse bin ich praktisch in ihn hineingelaufen. Er hat losgeflucht wie ein

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