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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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gleich wieder ein, Ottokar oder Malwine hätten sie in einen Keller eingesperrt, aus dem sie nicht entkommen konnte. Jetzt ärgerte er sich, weiler nicht zuerst den Gutshof aufgesucht hatte, um nach Lore zu sehen.
    Gerade als er sich fragte, was mit seiner Base geschehen sein mochte, fiel ihm Doktor Mützes verkniffener Gesichtsausdruck auf. Wie es aussah, wusste der Arzt mehr, und es schien ihm nicht zu gefallen. Am liebsten hätte Fridolin ihn sofort nach Lore gefragt, wollte dies aber nicht inmitten der Nachbarn und entfernten Bekannten tun, sondern erst, wenn er mit Doktor Mütze allein war.
    Während er die Predigt des angesichts so vieler hochstehender Trauergäste nervösen Hieronymus Starzig an sich vorbeiziehen ließ, befassten Fridolins Gedanken sich erneut mit Lore. Bereits in Berlin hatte er sich überlegt, ob er nicht irgendetwas für sie tun könne. Seine Börse war jedoch immer noch leer, und er hatte sogar seine letzten Wertgegenstände versetzen müssen, um sich die Fahrt nach Trettin leisten zu können. Trotzdem war er nicht bereit, das Mädchen einfach Ottokars und Malwines Fürsorge zu überlassen. Die beiden würden Lore wie eine Bauernmagd behandeln und auf vielerlei Art quälen. Dabei hatte das Mädchen durchaus Anspruch auf ein Erbe. Fridolin kannte die Trettinschen Erbregeln nicht so genau wie sein Vetter, dennoch war er sich sicher, dass bei einem Wechsel des Gutes auf einen männlichen Agnaten die Töchter oder in diesem Fall die Enkelin des alten Gutsherrn ein Anrecht auf eine standesgemäße Mitgift besaßen. Doch wie er Ottokar und vor allem dessen Frau einschätzte, würden sie Lore in jedem Fall darum betrügen.
    Inzwischen hatte der Priester seine Litanei beendet. Zusammen mit Kord und zwei Herren, die sich dazu bereit erklärt hatten, ließ Fridolin den Sarg mit den sterblichen Überresten seines Onkels in die Tiefe. Danach warf er eine Handvoll Erde in das Grab und trat beiseite. Während Hochwürden Starzig ein letztes Mal mit Weihrauchschwenker und Weihwasser hantierte, traten die Nachbarnans Grab, sprachen ein Gebet und verschwanden dann wieder, um dem immer schärfer blasenden Ostwind zu entgehen. Dieser trieb eine Wand aus dunklen Wolken vor sich her, aus denen bereits die ersten Schneeflocken fielen.
    »Ich glaube, wir sollten auch gehen«, wandte Doktor Mütze sich an Fridolin.
    Dieser nickte zunächst, sah dann aber, wie Kord die Schaufel ergriff, um das Grab mit Erde zu füllen, und winkte Miene heran. »Besorge mir eine Schaufel oder einen Spaten. Ich will Kord nicht allein arbeiten lassen.«
    »Aber Herr Fridolin, das geht doch nicht. Sie sind doch von Adel und können nicht …«
    »Was ich kann und was nicht, entscheide immer noch ich selbst«, unterbrach Fridolin die alte Frau mit scharfer Stimme. »Und jetzt geh! Du siehst doch, dass ein Schneesturm im Anzug ist.«
    Nun gehorchte Miene und verschwand in Richtung ihrer Kate. Dafür trat jetzt der Arzt neben Fridolin. »Ich würde Ihnen gerne helfen, will aber meiner Frau nicht zumuten, noch länger in der Kälte zu stehen. Ich schicke Ihnen den Kutscher mit dem Wagen zurück.«
    »Lassen Sie den armen Kerl und die Pferde lieber im Warmen. Kord wird mir für diese Nacht Obdach gewähren«, wehrte Fridolin den Vorschlag ab.
    Der Arzt überlegte kurz und nickte. »Bei dem Unwetter, das sich da ankündigt, ist es wohl das Beste. Ich hole Sie morgen Vormittag ab. Dann können wir zusammen zum Jagdhaus fahren und nachsehen, ob wir noch etwas finden, das Sie als Andenken an Ihren Onkel behalten können.« Da Lores Großvater alles, was sich hatte verkaufen lassen, zu Geld gemacht hatte, zweifelte Doktor Mütze jedoch daran.
    Der junge Mann winkte ab. »Wenn etwas zu finden ist, gehört es Lore. Die hat es mit Sicherheit nötiger als ich.« Da Miene gerademit einem alten Holzspaten zurückkam, verabschiedete er sich von Doktor Mütze und gesellte sich zu Kord, der es angesichts des kalten Windes, der einem durch Mark und Bein fuhr, bei einem missbilligenden Blick beließ.
    Dabei dachte der alte Knecht, dass der junge Herr Fridolin sehr viel Ähnlichkeit mit seinem Onkel in dessen jungen Jahren besaß. Der wilde Nikas hätte einen Knecht bei einem solchen Sauwetter ebenfalls nicht alleine arbeiten lassen.

XII.
     
    Der neue Gutsherr auf Trettin und seine Frau hatten bei der Nachricht vom Ableben des alten Herrn eine Flasche Champagner geköpft, um auf dieses Ereignis anzustoßen. Auch der Pastor, der zum Gut geeilt war, um

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