DGB 05 - Fulgrim
»Sie halten sich eben immer so sehr an alle
Vorschriften, dass ich manchmal nicht anders kann, als Sie ein wenig
hochzunehmen, selbst wenn ich weiß, ich sollte es nicht. Mir tut es auch leid.«
Marius hielt ihm die Hand hin,
Solomon schüttelte sie. »Der Krieg macht uns alle zu Narren, und das
ausgerechnet dann, wenn es wichtiger denn je ist, dass wir unseren Standard
wahren.«
Solomon nickte. »Da haben Sie
Recht, dennoch kann ich einfach nicht anders. Ich überlasse es Julius, sich um
die kulturelle Seite zu kümmern. Apropos: Was macht eigentlich diese kleine
Schar an Memoratoren, die Sie sich herangezogen haben? Gibt es von Ihnen bereits
neue Büsten oder Porträts? Ich schwöre Ihnen, Marius, es dauert nicht mehr
lange, dann werden Sie um keine Ecke mehr biegen können, ohne sein Gesicht auf
einem Gemälde oder als Marmorbüste zu sehen.«
»Nur weil Sie zu hässlich sind,
um als Kunstwerk verewigt zu werden, heißt das nicht, dass ich auch darauf verzichten
muss«, meinte Julius grinsend, der Solomons freundschaftliche Sticheleien seit
langem gewöhnt war. »Außerdem kann man kaum von einer Schar reden. Frau Kynkas
Musik ist wunderbar, und ich gebe zu, dass ich hoffe, von Serena d'Angelus mit
einem Gemälde geehrt zu werden. Vollkommenheit existiert in allem, mein Freund,
nicht nur im Krieg.«
»Ein solches Ego ...«,
kommentierte Solomon amüsiert und breitete die Arme aus, so weit er konnte. In diesem
Moment wurde das Phönix-Portal geöffnet, und Fulgrim trat ein. Er trug seine
komplette Rüstung, außerdem einen weiten Umhang aus Federn in den Farben des
Feuers. Der Effekt war atemberaubend, und alle Gespräche am Tisch verstummten
auf der Stelle, als die versammelten Astartes ehrfürchtig ihren geliebten
Anführer erblickten.
Die Krieger erhoben und
verneigten sich, als der Primarch der Emperors Children seinen Platz am Tisch einnahm.
Wie üblich waren Eidolon und Vespasian an seiner Seite, trugen ähnliche Umhänge
und hielten jeder einen Stab, in dessen Halterung aus schwarzem Eisen eine rote
Flamme erstrahlte.
Obwohl der runde Tisch
theoretisch ausdrücken sollte, dass alle an ihm Versammelten ebenbürtig waren,
gab es doch keinen Zweifel daran, wer bei dieser Zusammenkunft das Sagen hatte.
Andere Legionen mochten für
ihre Kriegerlogen ein schlichteres, formloseres Umfeld wählen, doch die
Emperors Children hielten an Traditionen und Ritualen fest, da Wiederholung zu
Perfektion führte.
»Brüder des Phönix«, begann
Fulgrim. »Im Feuer heiße ich euch willkommen.«
Bequa Kynska saß am großen
Schreibtisch in ihrem Quartier an Bord der Stolz des Imperators und
stierte durch das mit Messing umrahmte Bullauge auf die blaue Welt unter ihr.
Obwohl die Aussicht wunderschön war, nahm sie kaum etwas wahr. Immer noch
brütete sie über den leeren Seiten und ärgerte sich über die Zurückweisung durch
Ostian Delafour.
Obwohl er schlicht und
unscheinbar war und keine nennenswerten körperlichen Vorzüge besaß, durch die er
sich von jenen Liebhabern abhob, die sie sich über die Jahre hinweg genommen
hatte, war er doch jung — und von einem jungen Mann bewundert zu werden,
bedeutete ihr mehr als alles andere. Junge Männer waren so unschuldig, und
diese Unschuld mit der Verbitterung und der Erfahrung des Alters zu
korrumpieren, stellte eine der wenigen Freuden dar, die ihr noch geblieben waren.
Schon in jungen Jahren hatte Bequa jeden Mann und jede Frau bekommen, nach der
sie sich verzehrte. Nichts war ihr je verweigert worden. Dass es ihr jetzt widerfahren
musste, wo sie Gelegenheit hatte, das Unglaubliche zu erreichen, war in
höchstem Maß frustrierend.
Die Wut über Ostians
Verweigerung nagte an ihr, und sie legte einen stummen Eid ab, ihn für diesen
Affront bezahlen zu lassen.
Niemand wies Bequa Kynska
zurück!
Sie legte die Fingerspitzen an
ihre Schläfen und ließ sie sanft kreisen. Hinter ihren Augen bauten sich Kopfschmerzen
auf. Die glatte, künstliche Struktur ihrer Haut fühlte sich kalt an, und sie
ließ die Hände auf den Schreibtisch fallen. Chirurgische Eingriffe hatten dafür
gesorgt, dass die schlimmsten sichtbaren Anzeichen für ihr Alter weiterhin
verborgen blieben, aber auch wenn man sie nach wie vor als schön bezeichnete,
war es nur eine Frage der Zeit, bis die Kunst der Chirurgen nicht mehr genügte,
um den wahren Zustand ihres Körpers zu überspielen.
Wieder griff sie nach ihrem
Federhalter und ließ ihn über dem Notenblatt kreisen, auf dem zu
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