DGB 07 - Legion
ihn zu definieren.
Eines war gewiss: An einem unbestimmten Punkt nach seinem ersten Tod —
vermutlich als Folge eines langsamen Prozesses, nicht eines plötzlichen
Sinneswandels — hatte er aufgehört, nicht mehr ganz so eifrig die Interessen
seiner ursprünglichen Spezies zu vertreten.
Er war noch immer über alle
Maßen stolz auf die menschliche Rasse, und er war ein beharrlicher Ehrenretter
angesichts ihrer nicht so erbaulichen Eigenschaften. Aber er gehörte seit
langem der Kabale an, und sie hatte mit ihm zumindest teilweise den Visus
geteilt. Heute besaß er das, was seine Geburtsrasse einst gern als »Weitsicht«
bezeichnet hatte.
Grammaticus war einer der
letzten Menschen, die noch als Agent für die Kabale arbeiteten. Im Lauf der Jahrhunderte
hatte die Kabale viele gute menschliche Unterhändler rekrutiert, aber die
meisten waren lange tot, vergessen oder aus dem Dienst genommen.
Die Kabale hatte menschliche
Agenten rekrutiert, solange es Menschen gab, die rekrutiert werden konnten — eine
Tatsache, mit der sich Grammaticus besonders schwer hatte anfreunden können.
Zu Beginn der Menschheitsgeschichte
— vor der Erfindung der Schrift, vor Ur und Catal Huyuk, vor Mohenjo-daro und
Theben, vor der Errichtung der vergessenen Monumente hatte die Kabale Terra
besucht und war dort auf eine Horde unvoreingenommener und aussichtsloser
humanoider Säuger gestoßen, die mit ihren Äxten Markierungen in die Stämme
uralter Bäume schlugen, um die ersten Grenzen zu kennzeichnen.
Die Kabale hatte bei diesen humanoiden
Säugern bestimmte Eigenschaften entdeckt. Sie hatten erkannt, dass diese Säuger
eines Tages unweigerlich eine zentrale Rolle im Kosmos spielen würden.
Die Menschheit würde die
wichtigste Waffe gegen den Urtüm-lichen Zerstörer werden — oder aber die
wichtigste Waffe des Urtümlichen Zerstörers. So oder so befand die Kabale, dass
diese unscheinbaren humanoiden Säuger, die sich auf einer abgelegenen Welt
entwickelten, keine Spezies waren, die man unterschätzen oder gar ignorieren sollte.
Grammaticus wusste, diese
Tatsache machte dem größten Teil des innersten Kreises der Kabale zu schaffen.
Sie waren von der Alten Art, jeder Einzelne, und sie betrachteten alle
aufstrebenden Spezies in der Galaxis als minderwertige Eintagsfliegen. Es
schmerzte sie, zugeben zu müssen, dass ihr Schicksal und das Schicksal aller
anderen in der Hand von Kreaturen lag, die nichts weiter als simple, einzellige
Protozyten gewesen waren, als die Kulturen der Alten Art längst als reif
bezeichnet werden konnten.
Gahet hatte Grammaticus einmal
erzählt, dass die Kabale ihre ersten verhaltenen Annäherungsversuche an die
menschliche Spezies lange vor der Ankunft des Zeitalters von Terra unternommen
hatte. Es war voller Verbitterung über seine Lippen gekommen, und mit noch mehr
Verbitterung hatte er dann eingestanden, dass die Kabale wiederholt mit ihren
Bemühungen gescheitert war, Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit zu
nehmen.
»Ihr wart immer nur wilde,
starrsinnige Rohlinge«, hatte Gahet gesagt. »Entsetzlich dogmatisch in Eurer Selbsteinschätzung.
Wir versuchten, euch eine Richtung zu geben und euren Weg zu beeinflussen. Es
war, als ob ...« Gahet hatte innegehalten und nach einem passenden Begriff
gesucht, der den Egoismus der Menschheit treffend beschrieb. »Es war, als
wollte man einer Flutwelle befehlen umzukehren«, beendete er schließlich den
Satz.
Grammaticus hatte darüber
lächeln müssen und dann voller Stolz erwidert: »Wir sind schon ein stures Volk,
nicht wahr? Ist euch nie der Gedanke gekommen, dass es leichter gewesen wäre,
uns auszuradieren, bevor uns Zähne wuchsen?«
Daraufhin hatte Gahet genickt,
oder besser gesagt: Er hatte seine sekundären Nasenflügel auf eine Weise
bewegt, die einem Nicken gleichkam. »So haben wir damals nicht gehandelt. Wir
hielten solche Gedanken für schlichtweg barbarisch. Außer natürlich Slau Dha.«
»Ja, natürlich. Und heute?«
»Heute bedauere ich, dass wir
euch nicht abgetrieben haben, als wir die Gelegenheit dazu hatten. In letzter
Zeit ist Vernichtung zu unserer einzigen Waffe geworden. Ich vermisse die
dezenteren Methoden früherer Zeiten.«
Fast alle über die Jahre
rekrutierten Menschen hatten sich als ungeeignet oder mit Schwächen behaftet
erwiesen. Der meisten hatte man sich entledigt. Grammaticus glaubte, dass er
wegen seiner Gabe Erfolg gehabt hatte, wo so viele andere gescheitert waren.
John Grammaticus war ein
hochkarätiger
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