DGB 08 - Am Abgrund
gewesen. Über sechzig Verluste waren nicht hinnehmbar. Damit blieb
ihm von seinem eigenen Kontingent nur noch die Ehrengarde der Ultramarines,
außerdem Brynngars Blutwölfe. Die anhaltend trotzige Haltung des Space Wolf
entwickelte sich allmählich zu offener Feindseligkeit. Irgendetwas war da im
Gange, das konnte Cestus spüren, auch ohne über die animalischen Instinkte der
Söhne von Russ zu verfügen. Er fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bis
das unvermeidliche Donnerwetter über sie alle hereinbrach.
Nun befanden sie sich also
tatsächlich im Krieg mit einer anderen Legion. Guillaume allein wusste, wie
weit der Verrat reichte und wie viele Legionen mehr sich ebenfalls vom
Imperator abgewandt hatten. Das Wichtigste war im Augenblick, dass sich die
loyalen Legionen zusammenschlossen, sich aber nicht wegen unbedeuten-der
Meinungsverschiedenheiten gegenseitig an die Gurgel gingen.
Wenn der Tag der Entscheidung
kam — auf welcher Seite würde dann Brynngar mit seiner Legion stehen? Für
Guillaume und die Ultramarines war die Treue gegenüber dem Imperator eine
dogmatische Angelegenheit. Aber galt das auch für Russ?
Cestus ignorierte seine
düsteren Gedanken für den Augenblick, da er wusste, sie würden weder ihm noch
der Mission helfen.
Stattdessen dachte er noch
einmal kurz an Antiges. Er musste davon ausgehen, dass er tot war. Sein Bruder,
sein engster Freund, umgekommen bei einer sinnlosen Mission. Cestus verfluchte
sich, dass er seinen Platz Antiges überlassen hatte. Saphrax war ein fähiger
Adjutant, seine Hingabe zu den Lehren Guillaumes war unerschütterlich, aber er
war nun einmal nicht der Vertraute, den er in Antiges gehabt hatte.
Cestus ballte die Faust.
Diese Tat wird nicht ungesühnt
bleiben.
»Laeradis, kommen Sie mit«,
sagte der Hauptmann der Ultra-marines und ging in die Richtung, in die sich
Brynngar zurückge-zogen hatte.
Der Apothekarius folgte ihm
prompt.
»Wohin gehen wir, Hauptmann?«
»Ich will herausfinden, was
sich auf Bakka Triumveron abgespielt hat. Und ich will hören, was unser Word
Bearer über das Schiff seiner Legion und über dessen Mission nach Macragge
weiß.«
Als Cestus und Laeradis die
Isolationszellen erreichten, hatte sich Brynngar bereits nach drinnen begeben
und die Tür hinter sich verschlossen, während Rujveld draußen Wache stand.
Die Isolationszellen befanden
sich auf den unteren Decks, dort wo die Hitze und der Schweiß der Maschinen
deutlich zu spüren waren. Die Arbeiter dort unten sangen düstere Lieder, die
ihnen halfen, ihr Werk zu erledigen, und das Metall übertrug den Widerhall
dieser Gesänge bis in die Zellen. Ein gedämpfter Chor trieb durch die düsteren
Gänge, die Cestus und Laeradis hatten durchqueren müssen, um an diesen Ort zu
gelangen.
»Machen Sie Platz, Blutwolf«, befahl
Cestus ohne Vorrede.
Einen Moment lang schien es,
als wollte sich Rujveld widersetzen, doch Cestus war ein Hauptmann, wenn auch
von einer anderen Legion, und diese Position verlieh ihm die Befehlsgewalt, die
es zu respektieren galt. Der Blutwolf senkte den Blick, um seinen Ge-horsam zu
zeigen, und ging einen Schritt zur Seite.
Cestus drückte auf das Symbol
neben der Tür, die daraufhin zur Seite glitt. Als die Hydraulik die Tür aus
nacktem Metall bewegte, entwichen aus zwei Düsen feine Rauchwolken.
Dahinter herrschte fast
Dunkelheit, da die Lumen-Kugeln auf die niedrigste Stufe gestellt worden waren
und kaum Licht spendeten.
Eine wuchtige Gestalt stand im
Halbdunkel, zu beiden Seiten flankiert von je einer schmächtigen Person in
einem Gewand.
Brynngar hatte seine Rüstung
abgelegt, zwei Legionsdiener waren ihm dabei behilflich gewesen. Die beiden
hielten die Köpfe gesenkt und sprachen kein Wort. Der Wolfsgardist trug nur
eine schlichte graue Uniformhose, der Oberkörper war nackt. Alte Wunden waren
zu sehen, Narben und blassrosa Striemen, die Geschichten von Schmerz und Kampf
erzählten.
Ohne seine Rüstung erinnerte
Brynngar den Ultramarine mit seinen gewaltigen Muskeln und dem vollen, langen
Haar an einen Barbar aus der Frühzeit von Terra, einen jener Männer, wie sie
auf manchen Fresken in den großen Antiquarien zu sehen waren.
Der Wolfsgardist drehte sich
um, da er sehen wollte, wer ihn störte. Dabei konnte Cestus einen flüchtigen
Blick auf eine zweite Gestalt werfen, die an einem Metallrahmen festgeschnallt
waren.
»Was willst du, Cestus? Du
siehst doch bestimmt, dass ich beschäftigt bin.« Brynngar ballte die Fäuste
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