DGB 10 - Engel Der Tiefe
werden. Dann drehte er sich zur Seite und sah, dass
Israfael ein Stück von den anderen entfernt stand und die Fäuste ballte.
Ordensmeister Astelan schaute zwischen Israfael und Luther hin und her, als
könnte er sich nicht entscheiden, wem er glauben sollte. Der Boden schien sich
unter Zahariels Füßen zu drehen, und überhaupt schien für ihn alles aus den
Fugen zu geraten. Er hatte nie gewollt, dass es dazu kam.
»Nicht jeder wurde zum
Schweigen gebracht«, protestierte er.
»Was ist mit Nemiel? Und was
ist mit mir? Wir haben als Letzte mit Lord Sartana gesprochen, und uns ist
nichts zugestoßen.«
»Bruder Nemiel liegt vielleicht
auf irgendeiner fernen Welt tot auf einem Schlachtfeld«, gab Luther ernst
zurück. »Und du bist hier im Exil auf einer Welt, die bald in Flammen aufgehen
wird.« Er wurde lauter, seine Stimme überschlug sich fast, so als würde sie von
Wahnsinn gepeitscht. »Verstehst du nicht? Jonson wusste, dass das Imperium
Caliban eines Tages zerstören würde. Deshalb sind wir hier. Er hat uns nicht
einfach vergessen, Bruder, er hat uns hergeschickt, damit wir hier sterben.«
»Kein Wort mehr!«, brüllte
Israfael. Bögen aus psionischer Energie tanzten um seinen Kopf und knisterten
wie winzige Blitze.
»Milord, Ihnen geht es nicht
gut, und Sie sind nicht länger tauglich, das Kommando zu führen!« Er wandte
sich an Zahariel.
»Im Namen des Primarchen und
der Legion, Sie müssen die Kontrolle übernehmen und Luther befehlen, sich
sofort ins Apothekarium zu begeben.«
»Es ist zu spät für einen
solchen Verrat, Terraner!«, knurrte Luther, warf das Buch zur Seite und kam mit
lodernden Augen um den Tisch herum. »Er kennt die Wahrheit, ist es nicht so,
Zahariel?«
Ein unsichtbarer Sturm aus
psionischer Energie manifestierte sich mitten im Raum. Zahariels Gedanken überschlugen
sich. Er sah Meister Ramiel und Sar Daviel, die zwischen den beiden wütenden
Kriegern standen. Durch den rasenden Schmerz hindurch bahnte sich ein Gedanke
seinen Weg. »Das ist ein Fehler, Milord«, sagte er zu Luther. »Sar Daviel! Ihr
Freund, der Ritter, der so wie Sie die Bücher gelesen hatte – wer war er? Wo
ist er jetzt?«
Daviel drehte sich zu dem
Scriptor um. »Sein Name war Ulient«, antwortete der alte Ritter. »Er verschwand
an dem Tag, an dem der Imperator nach Caliban kam. Danach wurde er nie wieder
gesehen.«
Ein Speer aus glühendem Schmerz
bohrte sich durch Zahariels Verstand. Er schrie auf und presste die Hände gegen
die Schläfen.
Es fühlte sich an, als sei ein
Damm gebrochen, der ihn nun in einem Wirbel aus vergessenen Erinnerungen mit
sich riss.
... Dunkelheit, Hände in
Panzerhandschuhen, die nach ihm griffen, die ihn in aufrechter Position hielten
...
... Israfaels Stimme, die in
der Finsternis widerhallte.
»... Der Plan ist
fehlgeschlagen, und der Verschwörer wird derzeit verhört. Wir werden schon bald
wissen, wer uns Schaden zufügen wollte, und dann werden wir entsprechende
Maßnahmen ergreifen ...«
Dann eine andere Stimme ...
Bruder Midris. »... Sag uns alles, was du weißt. Und lass lieber nichts aus,
sonst wird es dir schlecht ergehen. Fang damit an, woher du wusstest, was
Bruder Ulient geplant hatte ...«
... »Bruder Ulient? Heißt er
so? Das wusste ich nicht ...«
... Obwohl er es gewusst hatte.
Er hatte ihn in dem geheimen Raum unter dem Kreissaal gesehen. Nemiel hatte ihn
dorthin mitgenommen, um ihn den Mitgliedern der Verschwörung vorzustellen. Er erinnerte
sich an Männer in ihren Chorröcken, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, er
wusste noch, wie sie davon gesprochen hatten, den Imperator der Menschheit zu töten
...
»Wir können dem Imperium nicht
vertrauen. Wir wissen, dass sie unsere Versklavung planen und uns unsere Welt
abnehmen wollen ...«
... Er erinnerte sich an die
strahlende Gestalt, die auf einmal in der Tür zum Verhörraum gestanden hatte,
ihr Gesicht hatte so geleuchtet, dass man es nicht lange betrachten konnte. Die
Stimme des Imperators der Menschheit rollte über ihn hinweg wie eine Welle auf
dem Ozean ...
»... er darf sich an nichts
davon erinnern. In der Legion darf es nicht einmal den Anschein von
Unstimmigkeit geben. Wir müssen eins sein, sonst sind wir verloren.«
Zahariel sank auf die Knie,
sein Körper bebte, als die letzten Reste der psionischen Blockade weggesprengt
wurden. Israfael und Luther waren in Schweigen verfallen, alle Blicke waren
jetzt auf ihn gerichtet.
Das Gefühl von Gewalt, von
brutalem Verrat, war schier
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