DGB 12 - Verlorene Söhne
viel mitbekam, weil mein Körper von
Schmerzen heimgesucht wurde und ich alle Hände voll zu tun hatte, mich zusammenzureißen
und gegen die Wandlung anzu-kämpfen. Es war eine finstere Zeit für unsere
Legion, und doch zugleich auch eine Zeit der Freude. Uns war klar, dass es so
nicht weitergehen konnte, weil die Fleischwandlung zu viele Opfer forderte und
weil es nichts gab, um sie aufzuhalten. Trotz unserer Verzweiflung freuten wir
uns darüber, mit dem genetischen Vater unserer Legion wiedervereint zu sein.«
Lemuel musste lächeln, als er
Ahrimans Stimme anhörte, mit welcher Begeisterung der an diese Zeit
zurückdachte. Der Captain der Ersten Gefolgschaft sah hinüber zur Pyramide von Photep ,
wobei sein Gesicht einen undefinierbaren Ausdruck annahm — er sah aus wie ein Mann,
der sich davor fürchtete, mit einer Schuld konfrontiert zu werden, die er tief
in seinem Gedächtnis vergraben hatte.
»Nur einen Tag nach der Abreise
des Imperators von Prospero fielen immer mehr aus unserer Legion der Wandlung
zum Opfer. Obwohl ich ihr länger widerstanden hatte als irgendjemand sonst,
hielt ich nun nicht länger durch. Mein Körper begann zu rebellieren, meine
Kräfte tobten fernab jeder Kontrolle. Aber bis zum heutigen Tag erinnere ich
mich sehr genau an mein Entsetzen, weil ich genau wusste, dass ich schon bald
etwas genauso Monströses sein würde wie die Kreaturen, die wir von Terra kommend
getötet hatten. Schon bald würde man mich töten müssen wie eine von diesen
Bestien. Doch dann auf einmal hörte ich eine Stimme in meinem Kopf, eine
sanfte, beruhigende Stimme, die klang, als würde ein besorgter Vater
beschwichtigend auf sein krankes Kind einreden. Dunkelheit umgab mich, und als ich
aufwachte, sah mein Körper so makellos aus wie zuvor. Die Fleischwandlung hätte
uns beinahe ausgelöscht, und doch hatten wir die Kontrolle über unsere Körper zurück-erlangt.
Die Legion war gerettet worden, aber an diesem Tag empfand ich keine Freude,
denn ein Teil von mir war unwieder-bringlich gestorben.«
»Ihr Zwillingsbruder«, sagte
Lemuel.
»Ja. Ich war geheilt worden,
aber Ohrmuzd war tot. Sein Körper war von der Fleischwandlung zu stark
verwüstet worden, für ihn gab es keine Rettung mehr. Ich nahm sein silbernes
Eichenblatt und machte es zu einem Teil meiner Rüstung. Das war das Mindeste,
was ich für sein Andenken tun konnte.«
»Lassen Sie mich Ihnen noch
einmal mein Beileid aussprechen«, erwiderte Lemuel.
»Keiner von uns hatte eine
Erinnerung daran, wie es zu diesem Wunder gekommen sein mochte, aber wir
lebten, auch wenn wir gerade noch um die tausend Mann waren.«
»Der Name Ihrer Legion.«
»Buchstäblich genommen, ja«,
stimmte Ahriman ihm zu.
»Nun waren wir tatsächlich die
Thousand Sons.«
Lemuel runzelte die Stirn.
»Einen Augenblick. Das ergibt doch keinen Sinn. Sie waren doch schon als die Thousand
Sons bekannt, bevor Sie nach Prospero kamen, richtig?«
»Ja.«
»Wieso?«
»Wieso was?«
»Wieso ausgerechnet dieser
Name? Der Name ergibt doch erst einen Sinn, nachdem Magnus Sie alle auf Prospero
gerettet hatte. Aber trotzdem wurden Sie schon zuvor als die Thousand Sons
bezeichnet. Ist es nur ein dummer Zufall, dass es lediglich tausend Überlebende
gab?«
»Jetzt denken Sie wie ein
Practicus«, meinte Ahriman lächelnd.
»Ich sagte Ihnen doch bereits,
es gibt keine Zufälle.«
»Und was soll das heißen? Dass
der Imperator zugesehen hat, weil er wusste, Magnus würde tausend von Ihnen
retten?«
»Vielleicht. Der Imperator hat
viele bedeutende Dinge gesehen«, sagte der Astartes, auch wenn Lemuel ihm anmerkte,
dass er einer Antwort auf seine Frage auswich. »Ja, Magnus hat uns gerettet,
aber er hat uns nie gesagt, wie es ihm gelungen ist.«
»Ist das wichtig? Er hat Sie
gerettet. Genügt das nicht?«
Ahriman richtete den Blick zum
Himmel. »Das bleibt abzuwarten. Dennoch halte ich es für wichtig ... sogar für sehr
wichtig.«
So sehr sie sich auch Sorgen um
Kallista machte, genoss Camille ihren Erkundungstag zu sehr, als dass sie sich ihre
Freude hätte trüben lassen. Sie hatte sich aus dem Bett gerollt, Chaiya einen
Abschiedskuss gegeben und sich dann auf den Weg zum Treffpunkt gemacht, wo
Khalophis auf sie wartete — und dabei hatte sie nicht einen einzigen Gedanken
an Kallista Eris verschwendet. Jetzt hatte sie deswegen ein schlechtes
Gewissen, das aber wiederum auch nicht so schlecht war, dass sie deswegen das
Angebot ausgeschlagen hätte, die Einöde von Prospero zu
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