DGB 12 - Verlorene Söhne
seine
Erinnerungen.
Die ersten Anzeichen dafür,
dass es nicht gut um Malikas Gesundheit bestellt war, waren starke Kopfschmerzen,
uner-klärliche Blackouts und der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses.
Ärzte verschrieben
Schmerzmittel und viel Ruhe, aber nichts half, die Symptome zu lindern. Diagnosen
der besten Mediziner aus allen Winkeln des Nordafrik-Distrikts wurden
eingeholt, und schließlich kam heraus, dass Malika unter einem äußerst
aggressiven Astrozytom litt, einem bösartigen Hirntumor, der sich nur sehr
schwer behandeln ließ.
Eine Operation genügte nicht,
um Malika zu heilen, da der Tumor seine Zellen im ganzen Gehirn verstreut
hatte. Nach mehreren chirurgischen Eingriffen folgte eine Strahlentherapie,
begleitet von einer aggressiven Chemotherapie, durch die das Entstehen weiterer
Tumore verhindert werden sollte. Allerdings wiesen die Ärzte Lemuel darauf hin,
dass die heterogene Art der Erkrankung die Behandlung immens kompliziert
machte. Zwar wurde der eine Zellentyp zerstört, aber ringsum lauerten bereits
andere, die nur darauf warteten, in Aktion treten und Malikas Gehirn zerfressen
zu können.
Lemuel musste mit ansehen, wie
seine Frau jeden Tag ein wenig mehr starb, und es gab nichts, was er dagegen hätte
tun können.
Eine solche Hilflosigkeit
widersprach völlig seinem Wesen, und so wandte er sich auf der Suche nach einem
Heilmittel immer stärker esoterischen Methoden zu, auch wenn es noch so
unwahrscheinlich war, dass sie irgendeine Wirkung zeigten.
Dennoch war ihm nichts zu
albern, als dass er es nicht doch versucht hätte.
Selbst die geringste Aussicht
auf Erfolg war immer noch besser als völlige Hoffnungslosigkeit.
Lemuel wandte sich an
homöopathische und naturopathische Experten, die ganzheitliche
Kräuterbehandlungen vorschlugen, während Vertreter der Ayurveda-Fraktion das
gemeinschaftliche Wohlergehen von Verstand und Seele in den Mittelpunkt
rückten.
Qi Gong, Akupunktur, Atemkontrolle,
Hypnose und ortho-molekulare Therapien wurden durchgeführt, aber keine Methode
zeigte irgendeine Wirkung.
Und trotzdem weigerte sich
Lemuel, vor der Krankheit zu kapitulieren. Seine Nachforschungen führten ihn in
die entlegen-sten Winkel des Wissens, dabei stieß er auf zahlreiche Texte, die
von Mächten jenseits allen menschlichen Verstehens berichteten. In diesen
Büchern erkannte er seine eigenen Fähigkeiten wieder, und er las von anderen,
mit denen es möglich war, die Kranken zu heilen oder die Toten wieder zum Leben
zu erwecken. Fähigkeiten, mit denen sich Mächte beschwören ließen, die nicht
von dieser Welt waren und als verabscheuungswürdig galten.
Doch das kümmerte ihn nicht,
denn er würde alles tun, wenn er so seine Frau retten konnte.
Sie flehte ihn an, mit seiner
Suche nach einer Heilmethode aufzuhören, aber er wollte nicht auf sie hören. Sie
hatte sich bereits mit dem nahenden Tod abgefunden, doch das konnte er nicht.
Wieder kamen ihm die Tränen,
als er Camille davon erzählte, wie Malika auf der Veranda ihres Hauses stand und
ihm zusah, als er sich auf eine Expedition in die Berge von Himalazia begab, um
dort nach den versteckt lebenden Meistern zu suchen, denen man nachsagte, die völlige
Kontrolle über Körper und Geist zu besitzen.
Wenn einer helfen konnte, dann
waren sie es.
Mit all seinem Reichtum beladen
machten er und seine Begleiter sich auf den Weg in die Berge, wo sie in den
eisigen Stürmen rund um die höchsten Gipfel beinahe ihr Leben verloren. Die
Reise entpuppte sich als vergeudete Zeit, denn die Erbauer des imperialen
Palasts hatten wegen der Bauarbeiten längst jeden im Verborgenen lebenden Meister
weggebracht, der dort gelebt haben mochte.
Als er von dort nach Mobayi
zurückkehrte, musste er erfahren, dass Malika mittlerweile gestorben war.
»Sie hat für mich die Welt
bedeutet«, sagte Lemuel, als er am Ende seiner Geschichte angelangt war.
»Das tut mir so leid«,
erwiderte Camille. »Das habe ich nicht gewusst. Das heißt, ich hatte zwar etwas
von ihr gesehen, als ich dich auf Aghoru angefasst hatte, aber ich wusste
nichts über sie. Wieso hast du das nie erzählt?«
Lemuel zuckte mit den
Schultern. »Ich mag nicht darüber reden, dass sie gestorben ist. Je mehr Leuten
ich davon erzähle, umso bewusster wird mir, dass sie tatsächlich tot ist. Das
macht es irgendwie realer und unabänderlicher.«
»Du meinst, du kannst etwas
daran ändern, dass sie tot ist?«
»Eine Zeit lang dachte ich das
wirklich«, gestand er ihr.
»In
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