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DGB 12 - Verlorene Söhne

DGB 12 - Verlorene Söhne

Titel: DGB 12 - Verlorene Söhne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham McNeill
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gewöhnte man sich an diesen Anblick.
    Wilde Pflanzen und Felder voll
mit sonnengereiftem Getreide bewegten sich in der leichten Brise, und Camille verspürte
einen inneren Frieden, wie sie ihn seit Langem nicht mehr gekannt hatte.
    Aghoru besaß eine Geschichte, doch
die war tief vergraben, viel tiefer als auf jeder anderen Welt, die sie bislang
betreten hatte. Sie genoss das Gefühl, sich an einer Welt einmal so zu
erfreuen, wie die sich ihr präsentierte, anstatt in jedem Moment von allen Seiten
deren Geschichte wahrnehmen und verarbeiten zu müssen.
    Lemuel kniete neben der langen
Plane, auf der die Funde dieses Tages ausgebreitet lagen, und hob ein Objekt
hoch, das aussah wie ein Teil von einer glasierten Keramikscheibe.
    »Eine wahre Schatztruhe«,
stellte Lemuel fest.
    »Jetzt weiß ich, warum ich
hergekommen bin.«
    Camille nickte. »Ja, das ist
wirklich eine Schatztruhe. Diese Artefakte sind nicht menschlichen Ursprungs,
davon bin ich überzeugt.«
    »Tatsächlich?«, fragte er und
rieb mit den Knöcheln über die flache Seite der Scheibe. »So, so, das ist ja
interessant. Und von wem stammen sie dann?«
    »Das weiß ich nicht, aber wer
immer diese Dinge geschaffen hat, lebt schon seit Zehntausenden von Jahren nicht
mehr.«
    »Wirklich? Das sieht aus, als
hätte man es erst gestern hergestellt.«
    »Ja, dieses Material scheint
nicht zu altern.«
    »Und woher weißt du dann, wie
alt das alles ist?«, hakte er nach und sah sie an.
    Wusste er etwas? Nein! Wie
sollte er denn auch?
    Nach kurzem Zögern erwiderte
sie: »Das hängt damit zusammen, in welcher Tiefe diese Gegenstände gefunden wurden.
Und ein bisschen wohl auch mit meinem Instinkt. Ich habe so lange in den Ruinen
von Terra gegraben, dass man nach einer Weile ein Gefühl dafür entwickelt, wie
alt etwas ungefähr sein muss.«
    »Kann ich mir vorstellen«,
meinte Lemuel und drehte die Scheibe so, dass er sich die Bruchstelle genauer
ansehen konnte. »Und was für ein Material ist das deiner Meinung nach? Es fühlt
sich so glatt an wie Porzellan, aber es sieht nach einer organischen inneren
Struktur aus, wie beispielsweise bei einem Kristall.«
    »Lass mich mal sehen«, sagte
sie, woraufhin Lemuel ihr die Scheibe gab. Seine Finger strichen dabei über die
Haut oberhalb ihres Handschuhs, und sie spürte, wie etwas zwischen ihnen
übersprang. Sie sah eine weiße Villa, umgeben von weitläufigen Obstgärten am
Fuß eines Bergs mit breitem, flachem Gipfel. Eine dunkelhäutige Frau winkte ihr
traurig von einer Dachveranda zu.
    »Ist irgendwas?«, fragte Lemuel
irritiert, im gleichen Moment war das Bild auch schon wieder verschwunden.
    Camille schüttelte das Gefühl
der Trauer aus ihrer Vision ab.
    »Nein, nein, alles in Ordnung.
Das liegt nur an der Hitze.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Es sieht
nicht aus, als ob es hergestellt worden wäre, nicht wahr?«
    »Überhaupt nicht«, bestätigte
Lemuel ihren Eindruck, richtete sich auf und klopfte den Staub von seinem
Morgenrock. »Sieh dir nur diese Linien an, die durch das Material verlaufen.
Das sind Wachstumslinien, das ist nicht von einer Maschine gepresst, gegossen
oder gestanzt worden. Dieses Material ist gewachsen und wurde dabei in diese
Form gebracht. Es erinnert mich an die Arbeit eines Mannes, den ich einmal in
Sangha auf Terra gekannt habe. Babechi war sein Name. Er war ein stiller Mann,
aber er konnte mit allem, was wächst, echte Wunder wirken. Woher ich komme, da
ist so etwas eine ganz seltene Gabe. Er nannte sich selbst Arbo-skulptor, und
er konnte Bäume und Pflanzen in Formen wachsen lassen, die einfach nur schön
waren.«
    Lemuel lächelte in seinen
Erinnerungen verloren. »Mit ein paar Gartenscheren, Brettern, Draht und
Klebeband bewaffnet war Babechi in der Lage, aus einem Setzling einen Stuhl,
eine Skulptur oder einen Torbogen entstehen zu lassen. Alles, was du haben
wolltest. Ich hatte einen ganzen Obstgarten mit Kirschpflaumen, Kreppmyrte und Pappeln,
die er so geformt hatte, dass sie aussahen wie der große Speisesaal von Narthan
Dumes Palast von Phan Kaos, den man für ein Wohltätigkeitsessen hergerichtet hatte.«
    Camille sah Lemuel an, um sich
zu vergewissern, ob er möglicher-weise nur einen Scherz machte, doch er schien es
völlig ernst zu meinen.
    »Hört sich extravagant an«,
konterte sie.
    »Oh, das war es auch, im
wahrsten Sinne des Wortes«, meinte er lachend. »Meine Frau bekam einen
Tobsuchtsanfall, als sie herausfand, wie teuer das gewesen war. Sie nannte

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