DGB 13 - Nemesis
mehrstöckiges Blockhaus, das man in dem an einen Hangar
erinnernden Saal errichtet und so gestaltet hatte, dass es sich in seine
Umgebung einfügte.
Im Raum herrschte das immer
gleiche schmuddelige, nur halbwegs kontrollierte Durcheinander, überall
stapelten sich Berge aus billigem Rebenpapier und überbelichtete Fotos, die so
angeordnet waren, dass sie eine Art chaotische Ordnung ergaben, die man
allerdings durchschauen musste, um sie als solche zu erkennen.
Mitten im Raum fand sich eine
Säule, übersät mit Kommunikationssteckdosen aus Messing, von denen aus dicke,
mit Gummi ummantelte Kabel zu Headsets und Hololithen verliefen. Eines dieser
Kabel endete in einem Hörer um den Kopf von Yosefs Kollege, der vornübergebeugt
in einem Sessel saß und intensiv lauschte, während er die Augen geschlossen
hielt und seine Finger geistesabwesend mit einem goldenen Adler an einer Kette
um sein Handgelenk spielten.
»Daig.« Yosef blieb vor dem
Mann stehen, um dessen Namen zu rufen. Als der nicht reagierte, schnippte der
Vogt laut mit den Fingern. »Wach auf!«
Vogt Daig Segan schlug die
Augen auf und seufzte leise. »Ich schlafe nicht, Yosef. Ich bin tief in
Gedanken versunken. Hast du so was schon mal gemacht?« Er nahm das Headset ah
und sah zu Yosef hoch, der vor ihm stand. Aus den Lautsprechern drang das
blecherne Zwitschern einer synthetischen Stimme, die in monotonem Tonfall einen
Polizeibericht vorlas.
Daig hätte keinen größeren
Kontrast zu seinem Kollegen darstellen können. Während Sabrat
überdurchschnittlich groß und von schmaler Statur war, glattrasiert und mit
sandfarbenem Haar, war Segan klein und stämmig, mit schlaffen, stets enttäuscht
wirkenden Gesichtszügen und lockigem, zerzaustem Haar. Wieder stieß er einen
Seufzer aus, als würde die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern liegen und
ihn erdrücken.
»Es führt zu nichts, wenn ich
mir das ein zweites Mal anhöre«, fuhr er fort und zog mit einer knappen
Bewegung den Stecker der Einheit aus der Säule. »Skeltas Berichte sind immer
gleich langweilig, ob ich sie mir von der Maschine vorlesen lasse oder von ihm
persönlich.« Yosef stutzte. »Was ich da draußen gesehen habe, kann man in
keiner Hinsicht als langweilig bezeichnen.« Er sah nach unten und bemerkte eine
Reihe Fotos, die den Tatort im Lagerschuppen zeigten. Auch jetzt, im grellen
Kontrast der Schwarz-Weiß-Bilder, war der Schrecken des Ganzen nicht schwächer
als am Ort des Geschehens. Auf jedem Foto war die reflektierende Blutlache zu
sehen, und der Anblick ließ die Erinnerung an das Gesehene so weit in den
Vordergrund rücken, dass er die Augen zukneifen musste, um die Bilder wieder zu
verdrängen.
Das entging Daig nicht. »Alles
in Ordnung?«, fragte er und legte besorgt die Stirn in Falten. »Brauchst du
einen Augenblick?«
»Nein«, entgegnete Yosef
entschieden. »Du hast gesagt, es gibt Neuigkeiten?«
Daig nickte. »Nicht so sehr
Neuigkeiten, sondern eher eine Bestätigung für etwas, das wir bereits vermutet
haben.« Er wühlte in den Papieren und Datentafeln, die vor ihm auf dem
Schreibtisch lagen, bis er einen Ausdruck gefunden hatte. »Die Analyse der
Schnitte hat ein Muster ergeben, das zu einer industriellen Klinge passt.«
»Medizinischer Art?« Yosef
erinnerte sich an seinen ersten Eindruck, dass die Verstümmelungen und
Verletzungen etwas Klinisches an sich gehabt hatten, doch Daig schüttelte den
Kopf.
»Weinbaulicher Art, wenn du es
genau wissen willst«, antwortete der andere Vogt, während er eine Kiste
durchsuchte, die vor ihm auf dem Boden stand. Er holte eine Plastikschachtel
heraus und öffnete sie, sodass ein Messer mit extrem geschwungener Klinge und
geriffeltem Heft zum Vorschein kam. »Ich habe eines aus der Asservatenkammer
kommen lassen, damit wir ein Modell haben, an dem wir uns orientieren können.« Yosef
erkannte es sofort, und seine Hand zuckte, während er sich dem Verlangen
widersetzte, nach dem Messer zu greifen. Ein Erntemesser, eines der
gebräuchlichsten und damit am weitesten verbreiteten Werkzeuge auf dem
Planeten, das millionenfach für das gewaltige Heer an Landarbeitern auf Iesta
Veracrux hergestellt wurde.
Auf jedem Weingut kamen solche
Klingen zum Einsatz, und sie waren so allgegenwärtig wie die Trauben, die mit
ihrer Hilfe abgetrennt wurden. Angesichts der weiten Verbreitung war es
zugleich die am häufigsten verwendete Mordwaffe, aber Yosef hatte noch nie
erlebt, dass jemand ein Messer von dieser Art für einen so
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