Dhalgren
ziehen nicht einfach ein!« Mrs. Richards hatte sich umgesehen. Jetzt ging sie in die Küche. »Ich hab an die Verwaltung geschrieben. Arthur ist hingegangen. Wir haben den Schlüssel vom Büro. Das ist doch nicht das gleiche.«
Kidd folgte Mrs. Richards in die gestreifte Küche.
»Wie können Sie wissen, daß niemand dort wohnte? Das war ein sehr nettes Paar unten. Sie war Japanerin. Oder Koreanerin oder so. Er hatte etwas mit der Universität zu tun. Ich kannte sie nicht sehr gut. Sie waren nur ein halbes Jahr hier. Was ist mit ihnen passiert?« Sie blickte zurück, bevor sie ins Eßzimmer ging.
»Sie sind gegangen, wie alle anderen auch.« Er folgte ihr weiter.
Sie trug die aneinanderklackenden Scherben durch den kahlen Flur. »Ich glaube, ihnen ist etwas Schreckliches passiert. Ich glaube, diese Leute haben etwas Schreckliches getan. Warum schickt die Verwaltung nicht neue Wachleute?« Sie ging in Bobbys Zimmer, überlegte es sich aber anders und ging in Junes. »Es ist gefährlich, es ist absolut gefährlich ohne Wachleute.«
»Mrs. Richards?« Er blieb im Eingang stehen, während sie mit gewölbten Händen umherging. »Ma'am? Was suchen Sie?«
»Etwas, wo ich das hinwerfen«, sie stoppte, »kann. Aber Sie haben ja schon alles hinaufgebracht.
»Sie können es doch einfach auf den Boden werfen.« Er war ungeduldig, und seine Ungeduld war ihm peinlich. »Ich meine, Sie wohnen doch nicht mehr hier.«
Nach kurzer Stille, in der ihr Gesicht einen neugierigen Ausdruck annahm, sagte sie: »Sie verstehen überhaupt nicht, wie wir leben. Aber vielleicht verstehen Sie es auch nur zu gut. Ich werde es hinausbringen in den Müllschlucker.«
Er wich zur Seite, als sie an ihm vorbeischritt.
»Ich möchte nicht gerne in den Flur gehen. Ich fühle mich nicht sicher -«
»Ich nehme es für sie mit!« rief er hinter ihr her.
»Das ist gut.« Mit zusammengehaltenen Händen drehte sie den Türknopf.
Als die Tür hinter ihr zuschlug, schnalzte er mit der Zunge und holte dann sein Notizbuch vom Fensterbrett. Das blaugeränderte Blatt fiel halb heraus. Er öffnete das Buch und blickte auf ihre gleichmäßigen Buchstaben. Mit zusammengebissenen Vorderzähnen nahm er seinen Stift und malte das Komma hinein. Ihre Tinte war schwarz, seine dunkelblau.
Wieder im Wohnzimmer, stach er mehrere Male in seine Tasche. Mrs. Richards kam mit zufriedener Miene herein. Sein Stift saß fest. »Mrs. Richards, dieser Brief ist immer noch in ihrem Kasten.«
»Welcher Brief?«
»Sie haben einen Luftpostbrief im Kasten. Heute morgen habe ich ihn wieder gesehen.«
»Die Briefkästen sind alle kaputt.«
»Ihrer nicht. Und es ist ein Brief darin. Ich hatte es Ihnen an meinem ersten Tag gesagt. Dann habe ich es Mr. Richards am Tag danach gesagt. Haben Sie keinen Briefkastenschlüssel?«
»Ja, natürlich. Einer von uns wird heute nachmittag hinuntergehen und ihn holen.
»Mrs. Richards?« Etwas, das er angerührt hatte, ließ noch einiges offen.
»Ja, Kidd?«
Seine Zähne waren immer noch zusammengebissen. Er zog die Luft ein, und sie öffneten sich. »Sie sind eine sehr nette Frau. Sie haben wirklich versucht, nett zu mir zu sein. Ich glaube, daß es schade ist, daß sie immer solche Angst haben. Ich kann nichts dagegen tun, aber ich wollte, sie hätten das nicht.«
Sie runzelte die Stirn, entspannte sie wieder. »Ich glaube nicht, daß Sie ermessen können, wieviel Sie getan haben.«
»Einfach, weil ich da war?«
»Ja, und auch weil . . .«
Er konnte ihr Achselzucken nicht deuten: »Mrs. Richards, ich habe auch mein ganzes Leben lang Angst gehabt. Vor einer Menge Dinge, die ich gar nicht kannte. Aber Sie können sich nicht so einfach - unterbuttern lassen. Sie müssen -«
»Ich ziehe um!« Ihr Kopf ruckte nachdrücklich. »Wir ziehen von 17-B nach 19-A.« »- etwas für sich selber tun!«
Sie schüttelte heftig den Kopf, sah ihn nicht an. »Und sie sind sehr überheblich, wenn Sie denken, Sie erzählen mir etwas, was ich nicht selber weiß.« Jetzt sah sie hoch. »Oder daß Sie es mir leichter machen, indem Sie mir es sagen.«
Frustration brachte ihn zu der Entschuldigung: »Tut mir leid.« Er hörte, wie seine Zurückhaltung es zu etwas anderem machte.
Mrs. Richards zwinkerte. »Oh, ich weiß, Sie versuchen nur - Mir tut es leid. Aber wissen Sie eigentlich, wie schrecklich es ist, hier zu leben?« Sie wies auf die grünen Wände. »Wo alles zerfällt? Und Sie können alles hören, was in den anderen Wohnungen passiert. Ich werde
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