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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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nachts wach und gehe zum Fenster, und manchmal kann ich Licht sehen, das sich in dem Rauch bewegt. Und wenn der Rauch nicht so dicht ist, ist es sogar noch schlimmer, denn dann sehen die Lichter wie schreckliche krabbelnde Dinger aus . . . das muß aufhören! Die Verwaltung hat bestimmt jede Menge Schwierigkeiten in dieser Krise. Das verstehe ist sehr gut. Ich mache Zugeständnisse. Aber es ist doch keine Bombe gefallen oder so etwas. Wenn eine Bombe gefallen wäre, wären wir tot. Das ist völlig natürlich. Und wir müssen uns damit abfinden, bis die Lage wieder im Lot ist, nicht wahr?« Sie beugte sich nach vorn. »Sie glauben nicht, daß es eine Bombe ist?«
    »Es ist keine Bombe. Ich war vor ungefähr einer Woche in Encenadas in Mexico. In den Zeitungen stand nichts über eine Bombe. Jemand nahm mich mit, der eine Zeitung aus L. A. dabeihatte. Auch dort ist alles okay. Und in Philadelphia - «
    »Na, sehen Sie. Wir müssen einfach abwarten. Die Wachen werden zurückkommen. Sie werden mit all diesen schrecklichen Leuten fertig werden, die sich im Flur wie Vandalen benehmen. Wir müssen geduldig und stark sein. Natürlich habe ich Angst. Ich habe Angst, daß ich anfange zu schreien, wenn ich länger als fünf Minuten auf einem Fleck sitze. Aber man darf sich doch nicht gehenlassen; genausowenig darf man ihnen nachgeben. Denken Sie, wir sollten Küchenmesser und Blumentopfscherben nehmen und hinuntergehen und sie hinausjagen?«
    »Nein, natürlich nicht - «
    »Ich gehöre nicht zu solchen Leuten. Ich möchte auch nicht so werden. Sie sagen, ich solle etwas tun? Also, ich bin mit meiner Familie umgezogen. Glauben Sie nicht, daß das ein hohes Maß an . . . innerer Stärke erfordert? Ich meine, in dieser Situation? Ich darf mir nicht einmal selber zugestehen, wie gefährlich die ganze Sache ist. Wenn ich das täte, könnte ich mich überhaupt nicht mehr bewegen.«
    »Natürlich ist es gefährlich. Aber ich gehe aus. Ich lebe draußen damit. Ich laufe herum. Mir passiert nichts.«
    »Oh, Edna hat mir erzählt, wie sie an die Wunde im Gesicht gekommen sind. Aber Sie sind ein Mann. Sie sind ein junger Mann. Ich bin eine Frau mittleren Alters.«
    »Aber das ist alles, was im Moment möglich ist, Mrs. Richards. Sie müssen darin herumlaufen, weil es nichts anderes mehr gibt.«
    »Es wird anders, wenn ich abwarte. Ich weiß das, denn ich bin schon älter. Sie wissen es nicht, weil Sie noch sehr jung sind.« »Ihre Freundin, Mrs. Brown -«
    »Mrs. Brown ist nicht ich, und ich bin nicht Mrs. Brown. Oh, versuchen Sie zu verstehen!«
    Er sammelte Luft für den Widerspruch; es gelang ihm aber nicht, ihn zu artikulieren.
    »Ich habe Familie. Sie ist mir sehr wichtig. Mrs. Brown ist jetzt ganz allein. Sie hat nicht die gleiche Verantwortung. Aber das verstehen Sie nicht. Vielleicht in Ihrem Kopf. Aber nicht richtig innen drin.«
    »Aber warum bringen Sie und Mr. Richards nicht ihre Familie aus diesem Dreck hier hinaus?«
    Ihre Hände arbeiteten sich langsam am Kleid hoch, drehten sich einmal herum und fielen wieder hinab. »Man kann sich zurückziehen, ja. Vermutlich mache ich das, wenn ich umziehe. Aber man kann nicht vollständig aufgeben, weglaufen, sich ergeben. Ich mag die Labry-Apartments.« Ihre Hände fuhren zusammen und zerknüllten das Kleid. »Ich fühle mich hier wohl. Wir leben hier, seit ich mit Bobby schwanger war. Wir mußten fast ein Jahr lang warten, um hier hereinzukommen. Davor hatten wir ein kleines Haus in Helmsford, aber es war nicht so nett wie hier. Glauben Sie mir. Sie lassen hier nicht jeden herein. Bei Arthurs Position ist das für ihn besser. Ich hatte hier viele seiner Geschäftsfreunde zu Besuch. Besonders mochte ich die jüngeren, cleveren Männer. Und ihre Frauen. Sie waren sehr nett. Wissen Sie, wie schwer es ist, ein Zuhause zu schaffen?«
    Seine nackte Ferse begann zu brennen vom bloßen Gewicht durch das Stehen.
    Er wiegte sich ein wenig.
    »Das ist etwas, was eine Frau instinktiv macht. Sie macht es gegen jeden Widerstand. Ehemänner finden es sehr gut, wenn es klappt. Aber sie helfen nicht so gerne. Man versteht das. Sie wissen nicht, wie sie es anfangen sollen. Auch die Kinder schätzen es nicht einmal. Aber es ist sehr notwendig. Sie müssen sich eine eigene Welt schaffen. Und jeder muß es fühlen können. Ich will ein Heim, hier, das so aussieht wie mein Zuhause, sich fühlt wie mein Zuhause, ein Platz, an dem meine Familie sicher ist, wo sich meine Freunde - Psychologen, Ingenieure,

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