Dhalgren
morgen gesehen. Ich dachte . . . ich hätte dich heute morgen gesehen.«
»Du bist die ganze Woche mit den Skorpionen herumgerannt. Jeder denkt, du bist so eine Art Held.«
»Was denkst du?« Ihr Haar fegte über sein Kinn.
»Shit! Das habe ich gedacht. Shit! Wenn du auf den Trip gehen willst. Gut. Mir ist nicht danach, mich in so was einzulassen. Wirklich nicht.«
»Heute nachmittag«, sagte er, »ich meine, ich habe sie zufällig getroffen. Und ich habe niemandem das Leben gerettet. Das war nur . . .«
»Sieh dich an«, gab sie zurück, »du ziehst dich wie sie an«, blieb aber bei ihm. »Du hängst mit ihnen herum. Ich meine: Mach weiter. Wenn es das ist, was du suchst, mach weiter. Aber das ist nicht meine Szene. Ich kann da nicht mit dir gehen.«
»Yeah . . . aber. Sieh doch mal. Du: Du sagst, du hast ein Haus und so. Wo wohnst du jetzt?«
»Würde es dir etwas ausmachen«, sagte sie leise, »wenn ich es dir nicht sage?« Breitete aber die Arme auseinander und schlang sie um ihn. »Jedenfalls für den Moment?« Der Rand der Harmonika schnitt in seine Brust.
Er fragte sich, ob sie die Wut in ihm spüren konnte, die unter ihren Händen pulsierte. »Ich«, sagte er, »habe dich heute morgen gesehen.«
Sie zog sich zurück, all seine Wut in ihrem Gesicht. »Also!« Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. »Entweder lügst du mich aus irgendwelchen merkwürdigen Gründen an, die ich noch nicht einmal wissen möchte; dann möchte ich nichts mehr mit dir zu tun haben. An dem Abend, bevor ich dich zum letzten Mal gesehen hatte, fehlten dir drei Stunden, jetzt fehlen dir fünf Tage. Vielleicht bist du wirklich wahnsinnig. Vielleicht sollte ich nichts mehr mit dir zu tun haben! Das ist ganz schön irrational, stimmt's? Ich habe dich seit fünf Tagen nicht gesehen, und Hölle, ich habe einen Zorn auf dich.«
»Aber warum zum Teufel hast du mich dann gesucht?« Er drehte sich um und ging den Saal hinunter. Ein großer Ballon platzte beinahe in seiner Brust.
Beim Klavier merkte er, daß Harrison den Vorhang der niedrigen Bühne geöffnet haben mußte. Die Kulisse - Scheinwerfer standen da auf Gestellen - zeigte einen gemalten Mond, ungefähr sieben Fuß im Durchmesser, und Andeutungen von Bäumen um ihn herum.
Er drehte sich am Bühnenrand um und war überrascht, daß sie wieder hinter ihm stand. »Warum bist du gekommen?«
»Weil es das erste Mal war, daß ich wußte, wo du bist. Ich habe es nicht gewußt . . .« Sie schnappte nach Luft. »Ich wußte nicht, ob du okay bist. Du bist nicht zurückgekommen. Ich dachte, vielleicht bist du wegen irgendwas auf mich böse. Sonst bist du immer zurückgekommen. Und plötzlich kam da anstatt du selber die ganze Zeit nur noch das, was die Leute über dich redeten. Du und die Skorpione. Du und die Skorpione.« In ihren Augen verzehrte sich etwas. Lider senkten sich über das Grün. »Weißt du, bis jetzt haben wir nicht eine von diesen >Ich-folge-dir-wo-immer-du-hingehst-Beziehungen< gehabt Ich weiß immer noch nicht, ob ich das überhaupt will. Und werde einfach etwas nervös, wenn ich daran denke, es könnte sein. Das ist alles.«
»Eine Woche.« Er fühlte, wie sich sein Gesicht verzog. »Was zum Teufel habe ich . . . fünf Tage lang gemacht? Wann habe ich . . .?« Er streckte die Hand nach ihr aus.
Ihr Gesicht flog gegen seines, schlug gegen seinen Mund, aber sie stieß ihre Zunge an seine und hielt seinen Hals ganz fest. Er versuchte, sie noch näher an sich zu ziehen, während er sich gegen die Bühnenrampe lehnte.
Er befreite eine Hand, grub zwischen ihnen, bis er die Harmonika aus ihrer Blusentasche ziehen konnte. Sie schepperte auf die Bühne hinter ihm.
»Du wirst doch niemanden verletzen?« sagte sie einmal. »Du wirst mich nicht verletzen. Ich weiß das. Nicht du.«
Die Hysterie, mit der sie ihn auf der dunklen Bühne liebte, war zuerst wütend, dann komisch (dachte, jemand könnte hereinkommen und wurde durch diese Idee erregt). Er lag auf dem Rücken, während sie auf ihm ritt, seine Schultern umkrallte, und fragte sich, ob er so was denken solle. Doch ihre Töne, die er für Weinen gehalten hatte, klärten sich zu einem Lachen. Ihr Gesäß füllte seine Hände. Er grub sich dazwischen.
Sie bäumte sich zu hoch auf und überließ ihn der nagelnden K älte. Während sie die Hände nach ihm ausstreckte, rollte er sie auf die Seite. Die Beine fest umklammert, kroch er hinab zum verschwitzten Saum ihrer Bluse und stieß seine Zunge in das salzige Haar. Sie
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